Nordmord
er. Vermutlich
war es doch jemand aus dem näheren Umfeld von Heike gewesen. Vielleicht sogar
dieser Malte. Gut möglich, dass der Mörder sich noch in der Gegend aufhielt
oder sogar hier lebte. Die Frauen verdächtigten angeblich die Bewohner eines
Hofes im Herrenkoog. Die alternative Gruppe war einigen Dorfbewohnern sowieso
ein Dorn im Auge.
»Könnte schon sein, dass es einer von ihnen war.«
Doch Haie schüttelte energisch den Kopf.
»Wieso denn? Nur weil sie nicht so leben, wie wir uns das
vorstellen? Deswegen ist man doch nicht automatisch ein potenzieller Mörder.
Ihr sucht doch nur einen, den ihr verdächtigen und dem ihr die Schuld
zuschieben könnt, um eure Angst unter Kontrolle zu bekommen. Da kommen euch
diese alternativen Hofbewohner gerade recht. Was aber, wenn der Mörder mitten
unter uns ist? Sind wir nicht genauso verdächtig? Gerade du, Bernd, schließlich
treibst du dich doch auch nachts da draußen im Koog herum. Angeblich zum
Nachtangeln, aber wer weiß, was du so treibst!«
Er hatte sich richtig in Rage geredet. Eigentlich hatte er
dem anderen nur aufzeigen wollen, dass momentan jeder gleich verdächtig schien
und wie einfach es war, Gerüchte in die Welt zu setzen. Er war es leid, dass
die Leute im Dorf sich immer alles so zurechtlegten, wie es ihnen gerade in den
Kram passte. Auslöser dieses Ausbruchs waren wahrscheinlich die verächtlichen
Blicke der Frauen vor dem Laden gewesen. Er konnte sich gut vorstellen, was für
Geschichten Elke ihren Freundinnen wieder aufgetischt hatte.
Bernd hingegen verstand seinen Ausbruch als Angriff auf die
eigene Person. Wütend und mit hochrotem Kopf griff er nach zwei Salatgurken und
zischte dabei:
»Und wenn du noch so viel snackst, ich bin’s nicht gewesen!«
26
Irina erwachte von dem Klappern ihrer eigenen
Zähne. Sie lag völlig nackt auf einem Metalltisch, ihre Arme waren links und
rechts mit ledernen Riemen festgebunden. Es war kalt. Eiskalt.
Sie versuchte, den Kopf zu heben, und blickte sich, so gut es
ging, im Raum um. Die Wände waren mit weißen Kacheln gefliest, über ihr strahlte
eine helle, runde Lampe, an der Wand gegenüber stand ein Tisch mit metallenen
Gerätschaften. Neben dem Tisch, auf dem sie lag, befanden sich mehrere
Apparate. Eine Art Fernseher war auch dabei.
Plötzlich wurde die Tür geöffnet, sie erschrak. Die beiden
Männer, die sie von daheim weggebracht hatten, betraten den Raum. Hinter ihnen
erschien ein weiterer Mann, er trug einen weißen Kittel. Die Drei traten an den
Tisch und blickten auf sie herab. Der Mann in Weiß sprach dabei die ganze Zeit,
die beiden anderen nickten beifällig. Sie fühlte sich hilflos, hätte sich am
liebsten in Luft aufgelöst, vor Scham schoss ihr das Blut in die Wangen. Sie
wand sich hin und her.
Abrupt drehten die Männer sich um. Irina versuchte, ihnen mit
ihrem Blick zu folgen. Sie sah, wie der Mann im weißen Kittel aus einer
Schublade einen braunen Umschlag holte und diesen den beiden anderen
überreichte. Der mit dem Goldzahn grinste breit und nickte. Dann verließen die
Zwei den Raum.
Der andere Mann trat wieder zu ihr an den Tisch. Er zog
seinen Kittel aus und breitete ihn über ihren nackten Körper. Er sprach
besänftigend auf sie ein, doch sie verstand nichts von dem, was er sagte. Die
Sprache war ihr völlig fremd. Noch nie hatten solche Worte ihr Ohr erreicht. Er
blickte auf seine Uhr und strich ihr über das Haar. Sie zuckte zusammen. Wieder
hörte sie seine beruhigende Stimme.
Irina schloss die Augen. Sie war erschöpft. Die Angst raubte
ihr alle Kraft. Nach einer Weile öffnete sie die Augen. Der Mann war
verschwunden. Sie atmete auf.
Aus der Küche duftete es köstlich nach
gebratenem Fisch. Haie hatte sich heute wieder mächtig ins Zeug gelegt und ein
neues Rezept ausprobiert. Er war so vertieft in das Anrühren der Weißweinsoße
gewesen, dass er sie gar nicht hatte kommen hören.
Überrascht blickte er deshalb auf, als sie die Küche
betraten. Tom stellte eine Flasche Weißwein auf den Tisch und begrüßte den
Freund.
»Das duftet herrlich. Was zauberst du da?«
Marlene hatte Haie bereits über die Schulter geblickt und gab
Auskunft über das Menü.
»Zander an jungem Gemüse und Reis mit einer
Haie-Spezial-Soße.«
Und das ließen sie sich richtig gut schmecken. Haie erzählte
während des Essens von der Begebenheit im SPAR-Laden und fragte, wie es mit der
Phantombildzeichnung gelaufen
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