Nordmord
Aufmerksamkeit. Sie wirkte fest entschlossen, den
Täter zu finden, und er fragte sich, ob die gestrige Entscheidung, ihr dabei zu
helfen, wirklich die richtige gewesen war. Schließlich ging es hier um Mord.
Vielleicht übernahmen sie sich da doch ein wenig. Er setzte sich zu ihr auf die
Eckbank und legte seinen Arm um sie.
»Ich denke, wir sollten erst einmal frühstücken.«
Sie schüttelte energisch den Kopf.
»Bald kommt Haie, dann
wollten wir doch zum Tatort und zu der Brücke, wo man ihre Sachen gefunden
hat.«
Er hatte völlig vergessen, dass sie gestern Abend bereits
Pläne für ihre weitere Vorgehensweise geschmiedet und sich heute Morgen mit
Haie verabredet hatten.
»Dann gehe ich mal duschen«, meinte er und erhob sich von der
Bank.
Während er das angenehm warme Wasser auf sich niederprasseln
ließ, wählte Marlene die Nummer von Malte Nielsen. Nach dem vierten Klingeln
hörte sie jedoch nur die Ansage seines Anrufbeantworters auf dem sie nach einem
schrillen Piepton die Nachricht, dass sie ihn dringend treffen musste, und ihre
Telefonnummer hinterließ.Anschließend rief sie Heikes Mutter an und erkundigte
sich, ob sie etwas von einem Patenkind wusste.
»Nein, von einem kleinen Jungen weiß ich nichts!«
Haie klingelte pünktlich wie immer. Gemeinsam
fuhren sie zunächst zum Tatort an die Lecker Au, doch wie schon bei ihrem
ersten Besuch erschien den Männern nichts ungewöhnlich. Marlene hingegen war
zum Ufer des Flusses hinuntergegangen und starrte in das dunkle Wasser. Die
Vorstellung, dass jemand einfach ihre Freundin hier hineingeworfen hatte, ließ
sie frösteln. Wie konnte man nur zu so etwas fähig sein? Was war das für ein
Mensch?
Sie blickte sich um und entdeckte das nahe gelegene Anwesen.
»Hat die Polizei die Anwohner befragt?«
Tom und Haie wussten es nicht.
In der Auffahrt kam ihnen ein dunkelbrauner Jagdhund
entgegen. Er bellte laut, bis die Tür geöffnet wurde und eine Frau erschien.
»Hasso, aus!«
Der Hund gehorchte aufs Wort und Tom war froh, als das
kläffende Tier seinen Schwanz einzog und Richtung Scheune abtrabte. Er hatte
Angst vor Hunden.
Marlene war der Hofbewohnerin entgegengegangen und stellte
bereits die ersten Fragen. Die Frau blickte sie etwas irritiert an.
»Aber die Polizei hat uns doch bereits befragt!«
Schnell erklärte Marlene, dass sie die Freundin der
Ermordeten sei. Der Gesichtsausdruck ihres Gegen-übers wurde freundlicher. Die
Dame hatte Verständnis dafür, dass sie sich ein eigenes Bild über den Mord
verschaffen wollten.
»Aber wie ich bereits der Polizei gesagt habe, außer Bernd
haben wir in den letzten Tagen und Wochen hier niemanden gesehen. Es ist ja
nachts auch stockfinster. Selbst wenn wir zufällig wach gewesen wären, es ist
unmöglich, von hier bis zur Lecker Au zu blicken.«
»Und ein Wagen ist Ihnen nicht aufgefallen?«
»Doch. Allerdings erst nach dem Mord. So ein kleiner, roter
Toyota.«
Seitdem man die Leiche der
jungen Ärztin gefunden hatte, waren eine Menge Leute hierher gekommen. Viele
Autos waren in den letzten Tagen durch den Koog gefahren. Schaulustige. Aber an
den roten Toyota konnte sie sich besonders gut erinnern. Sie könne beinahe
schwören, den gleichen Wagen auch schon vor dem Mord hier ein paar Mal gesehen
zu haben.
»Und haben Sie auch sehen
können, wer drin saß?«
Die Frau schüttelte
bedauernd den Kopf.
»Nur, dass die Person etwas
Helles getragen hat, habe ich erkennen können. Vielleicht einen Mantel oder
so.«
Kurz hatte Thamsen am Morgen darüber
nachgedacht, Anne und Timo zu den Wohnungsbesichtigungen mitzunehmen, sich aber
letztendlich dagegen entschieden. Sie wussten ja noch nicht einmal davon, dass
er sie zu sich holen wollte. Außerdem waren seine Chancen bei einigen
Vermietern sicherlich höher, wenn er nicht gleich mit zwei Kindern auftauchte.
Die erste Wohnung, die er sich in Deezbüll anschaute, befand
sich im Haus der Vermieterin. Besser gesagt, es war das Haus der Vermieterin.
Ihr schwebte anscheinend eine Art Wohngemeinschaft vor, jedenfalls klang es für
ihn so, als sie immer wieder betonte, wie einsam sie sich in dem großen Haus
fühlen würde, seit ihr Mann verstorben war.
Die zweite Wohnung in
Bosbüll war eigentlich gar keine Wohnung, sonder eher eine Baustelle. Der
Vermieter versprach drei Monate mietfreies Wohnen, wenn Dirk bei der
Renovierung fleißig mit anpackte. Es würde aber nach seinen Einschätzungen
Weitere Kostenlose Bücher