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Nordseefluch: Kriminalroman

Nordseefluch: Kriminalroman

Titel: Nordseefluch: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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gepresst, »dass mein ehemaliger Schüler die kleine Marion umgebracht hat. Ich lehne deshalb ein heuchlerisches Gespräch mit Manfred Kuhnert ab, der in meinen Augen eine Bestie ist. Was mich bewegen könnte, die Räume einer geschlossenen Psychiatrie zu betreten, das wäre die Zuneigung zu meinem Kollegen Habbo Stinga, dessen konsequente Lebenshaltung ich immer bewundert habe.«
    »Es geht auch um das Ansehen Ihres Kollegen, Herr Färber. Helfen Sie uns, Klarheit in den Fall zu bringen«, bat mich Professor Loraner.
    Was geht mich das alles an?, fragte ich mich.
    »Ich gebe Ihnen ein Schreiben mit, das Ihnen den Besuch der Anstalt erlaubt, Herr Färber«, sagte Staatsanwalt Buschmann und verließ das Zimmer.
    »Herr Färber, Sie sind Pädagoge und, wie mir der leitende Oberschuldirektor bestätigt hat, ein besonders begabter. Ihnen könnte es gelingen, Manfred Kuhnert aus seiner Verstocktheit herauszulocken«, sagte Professor Loraner.
    Buschmann kehrte zurück. Er reichte mir das Schreiben des Staatsanwalts und drückte mir die Hand.
    »Wir sind Ihnen sehr dankbar für Ihr Engagement«, sagte er.
    »Auf Ihren Bericht bin ich sehr gespannt«, sagte Professor Loraner und drückte mir ebenfalls die Hand.
    Ich fühlte mich verabschiedet und sagte: »Auf Wiedersehen.«
    Der hübschen Dame, die vor dem hässlichen Schreibtisch saß, warf ich noch einen freundlichen Blick zu und eilte über den dunklen, langen Flur zur Treppe, die nach unten führte.
    Mein Auto stand in der prallen Sonne. Wie in der Sauna trieb mir die Hitze den Schweiß aus den Poren, als ich einstieg.
    Nun habe ich ihn wieder, den Schwarzen Peter, dachte ich und fuhr zur Schule.
    Ich suchte den Direktor auf. Er verlagerte einige Stunden und stellte einen Vertretungsplan für den nächsten Tag auf, damit ich den Wünschen des Staatsanwalts nachkommen konnte.

9
    Ich lenkte meinen Golf durch den Verkehr der Großstadt Bremen und erreichte schließlich den Stadtteil Lilienthal. Eine hohe Mauer nahm kein Ende. Autoabgase hatten auf dem verblassten Rot der Klinker schmierige Flecken hinterlassen. Aufgesprühte Parolen, zum Teil übertüncht, machten sie hässlich und abstoßend. Vereinzelte Bäume standen zwischen der Autostraße und dem Bürgersteig. Ihr saftiges Grün lenkte von der Trostlosigkeit ab.
    Die Mauer endete an der bürgerlichen Fassade eines ehemaligen Landhauses, das einer alten Arztvilla glich und als Büro- und Verwaltungsgebäude des St. Alexius Hospitals fungierte.
    Ich bog von der Straße ab und befuhr den eleganten Halbkreis, den blühende Blumen in gepflegten Beeten einfassten. Eine plumpe Bronzeplastik stellte einen Mann dar, dem der Bart lang gewachsen war, seine linke Hand einem Kind reichte und mit der anderen nach oben wies. Doch dort waren heute nur grau-schwarze Wolken zu sehen, die der schwache Wind gerade noch vor sich hintreiben konnte.
    Am Schlagbaum stand ein Mann, dem die Pförtnerjacke zu eng war. Sein Gesicht wirkte alt und naiv. Er neigte sich zu meinem Fenster herab und blickte auf das Schreiben des Staatsanwalts.
    »Parkplatz N, rechter Gebäudeflügel.«
    »Danke«, sagte ich.
    Seitlich vor mir erhoben sich fünfgeschossige Gebäude. Sie standen wie riesige Quader auf grünen Wiesen, mit gleichmäßigen Fensterreihen, die das Licht aufzusaugen schienen. Zwischendurch, umgeben von gelbgrünen Thujahecken, befanden sich die asphaltierten Parkplätze. Hohe Schilder trugen das blaue P vor einem Großbuchstaben. Ich fuhr an »P K« vorbei, während zu meiner Linken Spazierwege, mal sich kreuzend, mal in Schleifen einer Acht auslaufend, an Rosenbeeten entlangführten.
    Viele alte und auch jüngere Menschen bewegten sich durch die Anlagen. Schicksale mit und ohne Hoffnungen, Todgeweihte, auf Erlösung wartend. Einsame, die Gott suchten und ihn nicht fanden, dachte ich, als ich sie beobachtete und meinen Wagen im Schritttempo schleichen ließ.
    Das Hospital hatte sich von der Stadt abgekapselt. Es war zu einer eigenen Großgemeinde zusammengewachsen, deren Bewohner das Schicksal ausgesucht hatte. Ich las »P M« vom Hinweisschild. Das nächste Gebäude musste es sein. Es wuchs an, wuchtig und klotzig.
    Aber es war anders als die bisherigen. Es war älter. Ich sah, dass die Fenster Eisengitter trugen. Auch die Menschen, die auf den Bänken saßen oder die Wege an den blühenden Pflanzen entlang nahmen, wirkten auf mich stumpf.
    Vom Parkplatz »P N« gelangte ich direkt zum Haupteingang. Eine Ordensfrau mit abgehärmten Zügen

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