Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
zumindest Saras Theorie. Göran hatte seine Zustimmung gegeben, und Ove und Fredrik saßen nun hinter der verspiegelten Scheibe im Technikraum.
Elisabet hatte sich nicht verändert, seit Sara sie zuletzt in ihrem Haus gesehen hatte. Sie wirkte kein bisschen geknickt. Aber das hatte Sara auch nicht erwartet.
»Warum haben Sie behauptet, Sie seien am Freitag zwischen sechs und acht zu Hause gewesen, obwohl das nicht der Wahrheit entspricht?«, begann Sara das Verhör.
Sie vermied bewusst das Wort Lüge.
»Ich dachte, es wäre am einfachsten so«, antwortete Elisabet Vogler.
Sie saß ein Stück vom Tisch entfernt und stützte die gefalteten Hände auf einem Bein ab. Sara spürte, wie leicht ihr ein bissiger Kommentar über die Lippen zu kommen drohte. Es war jedoch nicht ihre Aufgabe, jetzt Elisabet Voglers Entscheidung zu bewerten. Stattdessen fragte sie: »Wessen Idee war es, sich an diese Version zu halten?«
»Wer den Vorschlag gemacht hat, weiß ich nicht mehr, aber die Entscheidung haben wir gemeinsam gefällt.«
Aus Elisabets Mund klang das, als müsste sie Rechenschaft über einen Beschluss der Baubehörde ablegen, anstatt zu erklären, warum sie im Zuge der Ermittlungen in einem Mordfall ein falsches Alibi abgegeben hatte.
»Was haben Sie denn nun zwischen sechs und acht gemacht?«, fragte Sara.
Bevor Elisabet die Frage beantwortete, holte sie demonstrativ Luft.
»Ich habe nach den Lämmern gesehen. Wir haben Lämmer in Skär.«
»Wann sind Sie zu Hause losgefahren?«
»Gegen sechs.«
»Und wann kamen Sie zurück?«
»Gegen sieben.«
»Wie lange waren Sie bei den Lämmern, bevor Sie sich auf den Rückweg machten?«
»Tja, das weiß ich nicht genau, schätzungsweise eine halbe Stunde.«
Sie waren die Strecke zwischen Elisabet Voglers Haus und der Weide, auf der die Lämmer standen, probehalber abgefahren. Wenn man sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung hielt, brauchte man zwölf Minuten. Das passte ganz gut. Sie waren ebenfalls zu Testzwecken von Elisabet Voglers Haus über Eke nach Kalbjerga gefahren. Das dauerte vierzehn Minuten. Auch das passte. Besonders, wenn man die Zeit hinzurechnete, die man benötigte, um blutverschmierte Kleidung und Schuhe zu entsorgen.
»Gibt es jemanden, der diese Angaben bestätigen kann?«, fragte Sara weiter.
»Soweit ich weiß, nicht. Aber da es Leute zu geben scheint, die Alma im Auge behalten, hat irgendjemand vielleicht auch mich gesehen.« Elisabet lachte auf.
»Danke«, sagte Sara. »Im Moment habe ich keine weiteren Fragen.«
Elisabet wollte aufstehen, doch Sara hielt sie zurück.
»Sie müssen noch einen Augenblick hier sitzen bleiben. Ich bin gleich wieder da.«
»Man kann nicht direkt behaupten, dass ich sie dazu gebracht hätte, sich zu öffnen«, sagte sie draußen auf dem Gang zu Fredrik und Ove, die ihr entgegenkamen.
»Vielleicht hat sie nicht mehr zu sagen«, schlug Ove vor und kratzte sich an der Wange. »Eine Entschuldigung wäre aber angemessen gewesen. Sollte die neue Version stimmen, wäre das Ganze so wahnsinnig bescheuert …«
Der Ärger, den Sara im Verhörraum unterdrückt hatte, wollte nun heraus. »Wie viel Zeit haben wir mit den beiden verschwendet?«, zischte sie.
»Wäre es gut, ihr wegen des Erbes noch einmal auf den Zahn zu fühlen?«, fragte Fredrik.
»Nein. Da müsste ich etwas Konkretes in der Hand haben.« Sara ließ die beiden vor dem Technikraum stehen und eilte in Görans Büro.
»Ich muss mit Klint sprechen«, sagte der, nachdem ihm Sara von dem Verhör berichtet hatte. »Wenn ich das zu entscheiden hätte, würde ich Elisabet laufen lassen. Wir können ja schlecht Stina Hansson und Elisabet Vogler wegen ein und demselben Verbrechen in Untersuchungshaft nehmen. Ich halte Stina eher für die Mörderin als diese Dame. Aber wir führen eine Hausdurchsuchung bei ihr durch, und wenn wir das Ergebnis von diesem Haarbüschel haben, vergleichen wir es mit ihrer DNA.«
»Ich würde es gern noch einmal mit Ellen versuchen«, erklärte Sara. »Falls der Vater damit einverstanden ist. Vielleicht fällt Ellen noch etwas ein, das entweder auf Stina oder Elisabet zutrifft. Ich meine, jetzt können wir ja Vergleiche anstellen. «
»Versuch es. Mach es unten im Hotel.«
Die Unterlagen waren geordnet und der Schreibtisch befreit von der unübersichtlichen Zettelwirtschaft. Stattdessen hatte Fredrik nun einen Stapel DIN-A4-Blätter, chronologisch nach Daten geordnet, vor sich. Er übertrug sie in eine Liste in seinem Computer,
Weitere Kostenlose Bücher