Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
nicht. Ich glaube, es wird alles gut.«
Sie klang nicht mehr so besorgt. Es wirkte fast so, als wäre ihr die Katze egal. Ellen spürte wieder diese Leere und den Hunger. Ständig veränderte sich alles. Zuerst wollte die Frau zur Fähre, und dann war es ihr anscheinend nicht mehr wichtig, ob sie den Weg dorthin fanden oder nicht. Mit dem Kätzchen war es genauso. Sie fragte nach dem Weg und bat Ellen, ihn ihr zu zeigen, doch dann sollte sie zuckerfreies Kaugummi kauen und Nintendo spielen. All das kam ihr so falsch und seltsam vor, und ihr war klar, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Von solchen Dingen hatte sie ja gehört. Mama und Papa hatten es ihr gesagt. Bestimmt nicht nur einmal. Man durfte nie zu jemandem ins Auto steigen, den man nicht kannte. Keine Süßigkeiten von Fremden annehmen. Die Frau hatte zwar gesagt, es seien keine Süßigkeiten, aber vielleicht hatte sie gelogen.
Ellen fingerte an dem Nintendo herum. Die große Ellen lächelte sie an. Da fuhren sie aus dem Schatten heraus, die Sonnenstrahlen trafen auf ihr Haar, und nun sah sie fast wieder wie ein großes Mädchen aus. Ellen klappte den DS auf und schaltete ihn ein. Als die vertraute Melodie ertönte, legte sich das flaue Gefühl ein wenig. Das Gerät enthielt eines ihrer Lieblingsspiele. Nintendogs . Sie entschied sich für den Chihuahua und fing an zu spielen. Sie wusste, dass sie den Weg zur Fähre nie finden würde, wenn sie ein Spiel spielte, hatte aber das Gefühl, dass sie trotzdem das Richtige tat. So war es anscheinend gedacht. Die Frau wollte offenbar, dass sie spielte.
19
Sie fuhren mit der Bodilla über den Sund. Auf der Rückbank lag eine Alarmanlage für sechstausendfünfhundert Kronen. Sie sendete per Funk und war angeblich leicht zu installieren. Der Schlosser hatte ihnen die Gebrauchsanweisung gezeigt und gesagt, falls sie etwas nicht verstünden, sollten sie einfach anrufen.
Malin öffnete ihr Seitenfenster und legte den Arm auf den Rahmen. Zufrieden blinzelte sie in die Sonne. Sie hatte ihren Willen durchgesetzt, und Henriks Befürchtungen hatten sich nicht bestätigt. Die Bodilla tuckerte dahin, eine Dieselwolke hinter sich her ziehend, und ihr grellgelber Rumpf leuchtete im Sonnenlicht. Malin war erleichtert. Die Person, die hinter dieser Sache stand, würde schon merken, dass sie bereit war, den Kampf aufzunehmen. So leicht ließen sie sich nicht von der Insel vertreiben. Und wenn dieser verrückte Mensch noch einmal etwas anstellte, hätten sie ihn auf der Festplatte gespeichert.
Die Alarmanlage kontrollierte, dass die Haustür abgeschlossen war, und für den Fall, dass jemand versuchte, auf andere Weise ins Haus einzudringen, gab es vier Bewegungsmelder. Malin hatte einen Grundriss gezeichnet, und der Schlosser war der Meinung gewesen, dass vier ausreichten. Falls sie noch mehr benötigten, konnte man die Anlage problemlos ergänzen. Dazu hatten sie drei Überwachungskameras gekauft, die ebenfalls von Bewegungsmeldern gesteuert wurden. Sobald die Kameras aktiviert wurden, sendeten sie Bilder an die Festplatte der Alarmanlage und an ein oder mehrere Mobiltelefone. Die Nummern gab man selbst an der Basisstation ein, die man möglichst in einem Schrank, am besten im Obergeschoss, anbringen sollte. Der Schlosser hatte es ihnen im Laden demonstriert. Es war einerseits Science-Fiction, andererseits so leicht wie das Umschalten beim Fernseher.
Malin legte Henrik die rechte Hand auf den Oberschenkel und strich mit den Fingern über die innere Naht seiner Jeans. Die Zeitungen, die Henrik in der Stadt gekauft hatte, rochen nach Druckerschwärze. Ein dicker Stapel lag neben den Plastiktüten mit den verschiedenen Teilen der Alarmanlage.
Henrik beugte sich zu ihr herüber, biss sie sanft in den Nacken und streifte dabei ihre Brust. Ein kleiner Wärmeblitz schoss aus ihrem Zwerchfell zwischen ihre Beine. Zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr aus dem Urlaub wurde sie richtig heiß auf ihn.
Erst die Alarmanlage, dachte sie. Henriks Zeigefinger näherte sich ihrer Brustwarze. Da klingelte Malins Handy. Sie griff nach ihrer Handtasche, die auf dem Rücksitz lag, und Henrik lehnte sich mit einem leichten Seufzer zurück.
»Hallo, hier ist Malin.«
Es war die Schule, Ellens Klassenlehrerin Anita Frisk. Anita erzählte erst umständlich, womit sich die Kinder in der Mittagspause beschäftigt hatten, und fragte schließlich: »Sie haben Ellen nicht zufällig früher abgeholt?«
Malin wusste nicht ganz, was die Frage sollte.
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