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Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Nordwind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
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und stocherte weiter im Zündschloss herum, bis sie sah, dass die Schaltung auf D wie Drive stand. Anscheinend hatte sie, ohne es zu merken, den Gang gewechselt.
    Die Leute hinter ihnen hupten. Am liebsten wäre sie aus dem Auto gesprungen und hätte ihnen ins Gesicht geschrien, dass ihre Tochter verschwunden war. Sie wollte ihnen Dellen in ihre Karosserien treten und sie anbrüllen, dass sie sie alle mal am Arsch lecken können mit ihrer lächerlichen Angst, nicht schnell genug von der Fähre herunterzukommen.
    Während alles über ihr zusammenbrach, starrten sie die ganze Zeit vier Augenpaare an, die nicht aus Augen, sondern aus Löchern in einem Foto bestanden.

20
     
    Es war still im Auto. Gustav fuhr, Sara saß neben ihm, und Fredrik hatte auf der Rückbank Platz genommen. Er sah hinaus auf die von der Sonne beleuchtete Landschaft, die an ihm vorbeiflitzte. Dieselbe Fahrt hatten Sara und er vor drei Tagen unternommen, jetzt sparten sie sich allerdings das letzte Stück bis Fårö. Vor drei Tagen war es noch eine Bagatelle gewesen, die nahezu nichtig hätte sein können. Nun ging es um eine große Sache, die sich möglicherweise als das denkbar Schlimmste erweisen würde.
    Hatten sie die Drohungen, die die Familie erhalten hatte, nicht ernst genug genommen? Fredrik wollte darauf gerne erwidern, sie hätten alles getan, was sie konnten, und seien allen Hinweisen von Malin Andersson und Henrik Kjellander nachgegangen. Sie hatten Henriks Halbschwestern auf Fårö verhört. Sie hatten die Mieter überprüft. Das war eine gute Antwort und keine lahme Ausflucht. Trotzdem ließ ihn der Gedanke nicht los, dass sie mehr hätten tun sollen.
    »Es ist doch noch nicht so lange her«, beendete Sara das Schweigen. »Da kann alles Mögliche dahinterstecken. Vielleicht hat sie sich mit ihren Freundinnen gestritten und ist weggelaufen.«
    Fredrik brummte nur. Gustav saß stumm hinterm Steuer. Natürlich konnte sie recht haben, aber Fredrik war überzeugt davon, dass sie sich insgeheim alle auf eine Katastrophe vorbereiteten. Er hatte Ellen nicht kennengelernt, sondern nur ein Foto von ihr gesehen, dem die Augen fehlten. Trotzdem konnte er sich das Mädchen mühelos vorstellen. Sie spielte in Norsta Auren im Sand. Seine Phantasie hatte diesem Bild sogar einen lebendigen und fröhlichen Blick hinzugefügt. Er versuchte, seine Gedanken dort zu halten. Aber warum blieben sie denn nicht an diesem Sandstrand und rasten stattdessen auf etwas Unbekanntes, etwas Entsetzliches zu?
    Unter seiner Haut kribbelte es vor Unbehagen, und er hoffte ganz egoistisch, dass er darum herumkommen würde. Er hoffte, dass nicht er derjenige sein würde, der irgendwo auf einer Lichtung vor einem toten siebenjährigen Mädchen stehen würde, wenn es am Ende doch böse ausginge. Dass nicht er mit den verzweifelten Eltern dasitzen und sich bemühen müsste, ihnen in ohnmächtiger Anteilnahme Informationen zu entlocken. Unter Umständen, die vollkommen unmenschlich waren.
    Aber er wusste genau, dass er nicht darum herumkommen würde. Das war seine Aufgabe. Die Sache in die Hand zu nehmen, zu bewältigen und auszuhalten.
    Er versuchte, einen Punkt am Horizont zu fixieren, wie einer, dem beim Autofahren übel wurde.
    Normalerweise verfolgte ihn das Grauen nicht. Jedenfalls nicht auf dem Weg zu einem Tatort. Meist konnte er sich auf seine Aufgabe konzentrieren, einen kühlen Kopf bewahren und Distanz zu seinen Gefühlen halten. Diesmal war es offensichtlich anders. Oder hatte er sich verändert?
    Gustav wirkte verbissen. Wanderten seine Gedanken in eine ähnliche Richtung wie Fredriks?
    Sara sah auf die Uhr, zog ihr Handy aus der Tasche, fummelte eine Weile daran herum und steckte es wieder ein.
    »Kommt Micke übers Wochenende?«, fragte Fredrik.
    »Ja.« Sie drehte sich zu ihm um.
    Fredrik erahnte den Rest eines frohen Lächelns. Was das Privatleben betraf, gehörte Sara zu den Geheimniskrämern. Sie hatte an Weihnachten jemanden in Stockholm kennengelernt. Mehr wusste er im Grunde nicht.
    »Ich habe überlegt, ob ich ihn anrufen soll, aber dafür ist es wohl noch zu früh.«
    »Warte noch«, antwortete Fredrik. »Er kommt doch bestimmt erst abends, oder?«
    »Ja, mit dem Schiff um zwanzig nach zwölf«, sagte sie.
    »Ach so«, sagte Fredrik. »Dann brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
    Aber das stimmte natürlich nicht. Wenn das Schlimmste passiert war, was man sich vorstellen konnte. Wenn das Mädchen tot war.

21
     
    »Mit dem Auto? Wollen Sie mir

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