Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
Bildern war sie bekleidet, und auf einem war sogar Henrik mit abgebildet. Sein ausgestreckter Arm verschwand in einem schwarzen Schatten am Bildrand. Fredrik vermutete, dass Henrik die Kamera selbst auf sich und Stina gerichtet hatte. Beide strahlten übers ganze Gesicht. Stina sah glücklich aus.
»Wir müssen die Bilder mitnehmen«, sagte Fredrik. »Aber alte Fotos bewahrt wohl jeder auf, vor allem wenn ein bekannter Fotograf sie gemacht hat.«
»Es wäre gut zu wissen, wann das war«, sagte Gustav.
Fredrik suchte nach einem Datum, konnte aber keines entdecken.
»Am besten machen wir gleich hier weiter«, schlug Fredrik vor.
Er zeigte auf das große Regal, das mit Büchern, Ordnern und Zeitschriftenschubern vollgestopft war.
Sie fingen jeder von einer Seite an. Fredrik blätterte in Zeugnissen, Arbeitsverträgen, Kontoauszügen und alten Klassenlisten, stieß auf eine neunundzwanzig Jahre alte Schwimmurkunde und einige nichtssagende Fotografien. Fast eine Stunde lang arbeiteten sie konzentriert und wechselten nur hin und wieder ein Wort.
»Das hat gedauert«, sagte Gustav, als sie schließlich fertig waren mit dem Regal, ohne noch etwas Lohnendes gefunden zu haben.
»Sie scheint alles aufzubewahren«, stellte Fredrik fest.
»Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass es ihr schwerfällt, die Vergangenheit loszulassen.«
»Ein Hoch auf die Küchenpsychologie«, meinte Fredrik grinsend.
Gustav lachte kurz.
»Im Schlafzimmer ist jedenfalls noch mehr Kram. Ich mache dort weiter.«
Fredrik ging in die Küche. Vielleicht war an dem, was Gustav gesagt hatte, doch etwas dran, dachte er, während er sich einen Stapel Zeitschriften vom anderen Ende des Küchentischs vornahm. Als er Stina Hansson zum ersten Mal begegnet war, hatte er das gleiche Gefühl gehabt. Unter der scheinbar intakten Oberfläche schien sich ein Mensch zu verbergen, der insgeheim etwas hütete. Vielleicht Erinnerungen? Eine alte Liebe? Ihr heutiges Verhalten sprach nicht direkt dagegen.
Er schüttelte die erste Zeitschrift über dem Tisch aus und nahm sich dann ein Heft nach dem anderen vor. Als er ungefähr die Hälfte des Stapels untersucht hatte, segelten plötzlich fünf, sechs lose Blätter auf die Tischplatte.
Die Frau, die ihm vom obersten Blatt entgegenlächelte, erkannte Fredrik sofort. Auf der Marmorplatte vor ihr stand neben verschiedenen Früchten eine dekorative Blechdose mit griechischem Olivenöl.
54
Alma Vogler wohnte in der Nähe des Wassers. Man konnte die See erahnen, auch wenn sie hinter einigen spärlichen Kiefernreihen lag. Sie war präsent, ein frischer Hauch in der Luft und ein sanftes Rauschen. Das Haus war noch nicht alt. Die schwarze Holzverschalung, die großen Fenster und das nackte Blechdach wirkten modern und stilbewusst. Fremdartig und typisch Fårö zugleich.
»Ich kann es einfach nicht fassen«, sagte Alma. »Hier auf Fårö. Es ist so furchtbar.«
Sara hatte keine Todesnachricht überbringen müssen. Sie und Ove hatten noch nicht einmal Guten Tag gesagt, als Alma in der offenen Tür bereits von den Morden zu sprechen begann.
»Ich kannte Malin und Axel nicht«, erklärte Alma. »Malin ist mir nur ein einziges Mal begegnet, auf der Beerdigung meiner Mutter …« Sie senkte den Blick. »Aber irgendwie bin ich trotz allem mit ihnen verwandt. Und Henrik …«
Wieder hielt sie inne und blickte zum Wasser hinüber.
Ja, dachte Sara, was war eigentlich mit Henrik?
Sie fragten, ob sie eintreten dürften. Alma führte sie ins Wohnzimmer. In der Küche herrsche Chaos, sagte sie. Sara und Ove ließen sich auf einem harten Sofa aus schwarzem Filz nieder, und Alma nahm auf einem Sessel Platz. Sie saß ganz vorne auf der Kante und stützte die Ellbogen auf die Knie.
»Wo waren Sie gestern Abend zwischen sechs und acht?«, fragte Sara.
Alma richtete den Blick auf die Wand über ihren Köpfen, während sie antwortete. »Gegen halb sechs haben wir alle zu Abend gegessen, also Krister, die Kinder und ich. Dann habe ich vor allem ferngesehen. Krister war draußen und hat irgendwas am Auto repariert.«
»Sie waren also den gesamten Abend zusammen zu Hause?«
»Die Kinder sind gleich nach dem Essen zu den Nachbarn hinübergegangen, aber Krister und ich waren zu Hause.«
»Sie waren allerdings hier drinnen und er draußen.«
»Ja, aber er war nur kurz vorm Haus, direkt hier vor dem Fenster.« Sie zeigte zu den großen Wohnzimmerfenstern.
»Wie haben Sie erfahren, dass Malin und Axel Andersson ermordet
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