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Nore Brand 03 - Racheläuten

Nore Brand 03 - Racheläuten

Titel: Nore Brand 03 - Racheläuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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des Verstorbenen, der glücklich in die Kamera schaute.
    Man tat so, als ob nichts passiert sei. Für den Geschäftsgang war das wichtig. Unfälle geschahen schließlich überall, Verzweiflung und Depressionen tauchten auch in der Luxusbranche auf.
    Nino Zoppa zog den naheliegenden Schluss, dass auch der größte Reichtum und die tollste Aussicht auf Karriere vermutlich kein Medikament gegen psychische Abstürze war; das war doch sehr erstaunlich.

    Mitten in der Halle stand eine Hochsicherheitsvitrine. Er trat neugierig hinzu und beugte sich darüber. Dieser Handtaschen-Zytglogge-Turm war genial. Da gab es nichts zu meckern.
    Er richtete sich wieder auf.
    Viel Luxus, und von Trauer keine Spur. Luxus und Trauer passten genaugenommen nicht gut zusammen.
    Dieser Meier war etwa gleich alt gewesen wie er. In diesem Haus hatte die Zukunft auf ihn gewartet; doch seit ein paar Tagen war alles vorbei. Nino Zoppa ging fassungslos durch die Halle. Da war gar nichts, was auf diese Katastrophe hinwies. Dabei war es doch die reine Katastrophe, wenn so ein Leben plötzlich und unerwartet zu Ende ging.
    Vielleicht war der Kerl ein Scheusal, das wusste er nicht, aber egal: Es war auf jeden Fall ein Leben!
    Es konnte doch nicht sein, dass man auf einen Schlag weg und auf den zweiten Schlag schon vergessen war. Wie nie dagewesen.
    Zack, das Leben ist aus, und zack, man ist vergessen.
    Was macht das für einen Sinn?
    Immerhin ging es für ihn selbst im Moment weiter. Glück gehabt.
    Aber dieser Federico Meier war tot, mausetot, und in der Vitrine glitzerten und strahlten die Miniaturen, als ob nichts wäre.
    Diese Welt war einfach nicht zu begreifen.

    Die junge Frau im schwarzen Kostüm nickte ihm zu. »Im ersten Stock«, sagte sie und deutete auf den Lift.
    Nino Zoppa blieb kurz stehen.
    »Das ist doch eine traurige Sache mit diesem Finanz…«, Nino Zoppa zögerte, »mit dem Enkel.«
    Er schaute sie an. Das schwarze Kostüm hatte mit dem Business zu tun und nicht mit dem Tod des Enkels.
    Sie schaute zurück und schien irgendeinen Punkt auf seinem Gesicht zu fixieren. Das war sehr unangenehm.
    »Ja«, sagte sie endlich und schaute an ihm vorbei, »schon.«
    Ja, schon? Nino Zoppa riss die Augen auf.
    »Sie finden das Büro von Max Lebeau im ersten Stock«, präzisierte sie mit unendlich gelangweilter Stimme.
    Nino Zoppa musste sich abwenden. In diesem Haus schien kein Einziger traurig zu sein. Er spürte das in allen Knochen. Da weiß man, dass ein Kollege sich umgebracht hatte, vorläufig ging man mal davon aus, außer er selber, und diese Frau deutete einfach so, mit einer nachlässigen Handbewegung zur Seite, ›im ersten Stock‹, die Stimme völlig cool und zu Tode gelangweilt.
    Ging überhaupt irgendetwas in ihr vor?
    Falls ja, dann sehr wenig.
    Da hat sich einer umgebracht. Dumm gelaufen. Aber das Leben trödelt einfach weiter, wie es das so zu tun pflegt, und lässt ein paar Leichen hinter sich. Na und? Gehört schließlich auch dazu.
    Immerhin war die Polizei wieder im Haus, um sich etwas umzusehen.

    Das schwarze Kostüm deutete nochmals mit der Hand in eine unbestimmte Windrichtung und schaute freundlich an ihm vorbei ins Leere. Ihre Tage gingen weiter. Es war so, wie er vermutet hatte, das schwarze Kostüm war einfach schwarz, weil es rein zufällig schwarz war.
    Das andere Kostüm war in der Reinigung oder hing zum Lüften auf ihrem Balkon.
    Wie hatte sie überhaupt reagiert auf die traurige Nachricht? Vielleicht nicht anders als bei der Mitteilung, dass die Kaffeemaschine in der Kantine außer Betrieb sei. Vermutlich hatte sie ihr Gesicht verzogen und mit den Fingern gewedelt, weil da immer ein Lack am Trocknen war. Sie hatte nach der Nachricht von Meiers Tod ohne jeden Zweifel den nächsten Anruf mit diesem gelangweilten Schnarren entgegengenommen, das Nino an diesem Morgen auch schon gehört hatte, und dazu affektierte Kopfbewegungen gemacht, obwohl der Mensch am anderen Ende des Drahtes sie gar nicht sehen konnte.
    Aber hören konnte man das. Ja, Bewegungen konnte man in der Stimme hören. Er jedenfalls konnte das.
    Nino Zoppa sah die Menschen am Telefon vor sich wie auf einem kleinen Display. Diese Menschen, die ihn nach Feierabend per Telefon belästigten, oft waren es Frauen, die irgendwelche Fragen hatten, wie alt er sei, ob er allein wohne, ob er vor dem Schlafen die Zähne putze oder um Mitternacht auf dem Balkon die Nationalhymne sang oder so. Er hatte sich mal vorgenommen, die üblichen Fragen so zu

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