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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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strich ihm über sein nach allen Seiten abstehendes Haar.
    »Conte Claudio hat ihn gerufen, dass er mit zum Bahnhof fährt. Hast du genug getrunken, mein Lieber?«
    Bevor Luciano etwas erwidern konnte, kam Chiara hereingestürmt, ihre Dienerin Leonarda wie immer zwei Schritte hinter ihr. Chiara hatte das gleiche runde Gesicht wie ihr Cousin Luciano und bereits üppig weibliche Formen, obwohl sie wie er erst dreizehn Jahre alt war.
    »Komm, sie sind da!« Ungeduldig strich sie sich das lange schwarze Haar aus dem Gesicht.
    »Wer? Alle Gäste?«, wollte Luciano wissen, während er schnaufend neben ihr herlief.
    »Nein, bisher habe ich nur die Dracas aus Wien gesehen. Sie sind - unglaublich! Aber sieh selbst.« Sie verdrehte die Augen und stieß ein kurzes, nervöses Lachen aus.
    Luciano wollte sie gerade fragen, was genau sie meinte, da erreichten sie den achteckigen Saal, in dem die Gäste empfangen wurden. Natürlich war Conte Claudio da, der Führer der römischen Familie, und seine wichtigsten Vertrauten, doch Luciano sah auch einige der Altehrwürdigen, allen voran Conte Giuseppe, Claudios Großvater und sein Vorgänger als Clanführer. Doch die eigenen Familienmitglieder waren natürlich nicht das, was Luciano interessierte. Vor ihm blieb Chiara so unvermittelt stehen, dass er fast in sie hineingelaufen wäre. Sie faltete die Hände vor der Brust und seufzte verzückt. Luciano drängte sich neben sie und folgte ihrem Blick zu den Gästen aus Wien, die gerade von Conte Claudio wortreich begrüßt wurden. Ja, er verstand nun, was Chiara gemeint hatte. Sie waren unglaublich! Allen gemein war der hohe Wuchs und ein edles Gesicht mit einer schmalen,  geraden Nase. Sie hatten dichtes dunkelbraunes Haar, das die Frauen zu kunstvollen Frisuren aufgesteckt hatten, während die Männer es schulterlang und mit einer edelsteinbesetzten Schleife im Nacken gebunden trugen. Ihre Kleidung war aus teurem Stoff und umschmeichelte ihre makellosen Körper. Sie sahen nicht so aus, als wären sie zwei Tage in ihren Särgen von Wien über die Alpen bis nach Rom gereist. Nein, es kam Luciano eher so vor, als wären sie gerade von einem Schwarm dienender Geister für einen Ball in der Hofburg herausgeputzt worden. Unauffällig klopfte sich Luciano einen Staubfleck von seiner zerknitterten Hose.
    Conte Claudio hatte die beiden prächtigsten Besucher - die Baron Maximilian und seine Schwester Antonia sein mussten - ehrerbietig begrüßt und ihren Begleitern die Hand geschüttelt. Nun winkte er zwei Jungen und zwei Mädchen heran und hieß sie mit einem breiten Lächeln willkommen. Eines der Mädchen schien Luciano um ein paar Jahre älter als er und Chiara, das andere konnte nicht älter als zwölf sein. Dann trat einer der Jungen vor und erwies Conte Claudio anmutig seine Referenz.
    »Franz Leopold«, stellte sich der Junge mit wohlklingender Stimme vor.
    »Ist er nicht wundervoll?«, flüsterte Chiara und stöhnte leise. »Ich habe nie ein schöneres Wesen gesehen. Und wie er sich bewegt!«
    Neidvoll musste Luciano ihr recht geben. Der Junge trat nun zur Seite und ließ den zweiten vortreten.
    »Ich hole ihn dir«, sagte Luciano und trat auf den fremden Vampir aus Wien zu.
    Chiara legte die flache Hand zwischen ihre gut entwickelten Brüste. »Ich glaube, ich falle in Ohnmacht, wenn er mich nur ansieht.«
    »Sei nicht albern. Er wird mit uns die Akademie besuchen, also komm, wir machen uns mit ihm bekannt.«
    »Sei gegrüßt, Franz Leopold, mein Name ist Luciano und das ist Chiara. Willkommen in …«
    Er brach ab. Der Wiener Vampir hatte sich zu ihm umgewandt und musterte ihn mit einem solchen Ausdruck des Abscheus, dass es Luciano die Sprache verschlug. Er fühlte den unbändigen Drang, an seinen Nägeln zu kauen, entschied jedoch, dass dies seine Lage noch verschlimmern würde. Es war ihm, als lähmte der Blick des anderen ihn. Die Hände, die er ihm gerade noch mit seinem Willkommensgruß hatte entgegenstrecken wollen, verkrampften sich hinter seinem Rücken, und er fühlte, wie seine Knie weich wurden. Sein Gegenüber öffnete die schönen Lippen zu einem Lächeln. Luciano hatte nicht gewusst, wie viel Verachtung in einem Lächeln liegen konnte.
    »Bei allen Dämonen, seid ihr denn alle hier so fett und hässlich? Ihr scheint wohl nichts anderes zu tun außer zu fressen? Kein Wunder, dass die Ewige Stadt schon lange untergegangen ist, wie man sagt. Ich frage mich, warum der Rat beschlossen hat, euch vor dem Untergang zu bewahren.

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