Nosferatu 2055
Serrin.
»Gute Frage, aber eine, die ich im Augenblick nicht beantworten kann. Zum einen will ich erst mal abwarten, was die Frames aus den anderen Datenbanken herausgeholt haben. Zum anderen enthält die Akte keine Anmerkungen, die eine Begründung liefern könnten. Die Polizeianalyse besagt, daß es keine Hinweise auf eine Konzernbeteiligung gibt. Die versuchte Entführung wurde offenbar von einem Regierungsmagier gemeldet, der zufällig gerade am richtigen Ort war und zur richtigen Zeit eine astrale Überwachung durchgeführt hat. Aber es liegt keine Beschreibung der Entführer vor.«
»Du solltest sie nicht ›die Frames‹ nennen«, flüsterte Serrin grinsend. »Die Kinderchen könnten zuhören.«
Michael ignorierte ihn und traf Vorbereitungen, den Rest der Daten durchzusehen. Ein Summen aus Serrins Jackentasche ließ ihn zusammenzucken, als er nach dem Ladegerät tastete. Der Elf drückte den Anzeigeknopf und las die Botschaft, während Michael ihn erwartungsvoll ansah.
»In Seattle ist ein Fax für mich angekommen«, sagte er. »Ich habe eine Nachsendenummer. Wenn irgendwas ankommt, werde ich automatisch benachrichtigt.«
»Erwartest du irgendwas?« fragte Michael.
»Eigentlich nicht. Am besten, du läßt die Botschaft ausdrucken, dann haben wir sie schwarz auf weiß. Ich könnte sie Zeile für Zeile auf der Anzeige lesen, aber wenn es eine lange Botschaft ist, könnte das ziemlich mühsam werden.«
Michael hatte die kurze Botschaft Sekunden später ausgedruckt. Er reichte sie Serrin, ohne einen Blick darauf zu werfen. Der Elf las die Worte und wurde noch blasser, als er ohnehin normalerweise war. Er reichte das Blatt ohne Worte an Michael weiter.
Der Engländer las die Nachricht mit Rücksicht auf Tom laut vor. Da er nicht wußte, ob der Troll lesen konnte, wollte er ihn nicht in Verlegenheit bringen, falls er es nicht konnte. Der Schamane registrierte das sehr wohl.
»›Ich habe Ihren Namen auf einer Liste aus einem Computer von einem Burschen gesehen, der umgebracht wurde. Zwei andere Leute auf der Liste sind schon tot. Ich rufe Sie morgen um diese Zeit wieder an und gebe Ihnen eine Telekomnummer, unter der sie mich erreichen können.‹ Kein Name, kein Absender. Natürlich gibt es die Faxnummer des Absenders.«
»Ich werde langsam ziemlich paranoid, was anonyme Botschaften betrifft«, sagte Serrin.
»Dann wollen wir mal der Absendernummer nachgehen«, sagte Michael, der sich daraufhin seiner Gerätephalanx widmete und mit seinen Nachforschungen begann.
Serrin und Tom redeten nicht viel in der kurzen Zeit, in der Michael seine elektronische Suche durchführte. Dazu hatten sie bei Kaffee und Serrins Zigaretten in dem Restaurant ausreichend Gelegenheit gehabt. Der Elf wußte, daß Tom in dieser merkwürdigen Stadt, die ihm nicht gefiel, unglücklich war. Er war kein Straßenschamane, und selbst wenn, hätten ihm die Straßen Manhattans nicht gefallen. Sein einziger Kommentar dazu lautete, der Stadt fehle Herz und Nettigkeit.
»Natürlich umgeleitet«, sagte Michael mit einem Funkeln in den Augen, als er fertig war. »Die ursprüngliche Botschaft stammt aus Kapstadt. Merkwürdiger Zufall, oder? Zwei Hinweise auf die Konföderation Azanischer Völker in zehn Minuten. Ich gehe gerade dem Besitzer des Faxgeräts und seiner Adresse nach. Ah, da haben wir es schon.« Er arbeitete weiter, während er redete, wobei seine Frames die ›Laufarbeit‹ erledigten. »Also, mal sehen, was wir über Mr. Manoj Gavakar herausfinden. Offenbar ist er ein Kap-Inder, aber ist er ein Magier oder ist er...« Seine Stimme verlor sich.
»Was ist los?« fragte Serrin rasch.
»Die Botschaft wurde vor neun Stunden abgeschickt. Mr. Gavakars Geschäft ist kaum eine Stunde später bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Seine Leiche, oder vielmehr eine Leiche, von der angenommen wird, daß es seine ist, weil ihr Zustand keine eindeutige Identifikation zuläßt, wurde in der Ruine gefunden. Das habe ich aus dem öffentlichen Nachrichtennetz, also ist diese Information nicht als geheim eingestuft worden.«
Serrin sah den Engländer an, entsetzt über die Implikationen dieser Information. Tom beugte sich nachdenklich vor. Bis jetzt hatte der Troll lediglich auf Serrins Paranoia reagiert. Er hatte sich nicht richtig beteiligt gefühlt. Das hier drang schon tiefer. Die Tatsache, daß er die Entwicklung persönlich miterlebt hatte, gab ihm das Gefühl, daß tatsächlich irgend etwas vorging.
»Das erinnert mich an die alte
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