Nosferatu 2055

Meilen von hier entfernt und befindet sich in der Nähe von Babanango. Und nun mach endlich.«
    Kristen murmelte etwas, als er sie zu wecken versuchte, und drehte sich einfach auf die andere Seite, um weiterzuschlafen. Serrin mußte sie heftig schütteln, bevor sie widerwillig die Augen öffnete. Zehn Minuten später standen sie draußen in der überraschenden Kühle der afrikanischen Winternacht. Tom und Michael saßen bereits im Jeep.
    »Ich kann euch nicht begleiten«, sagte Ruanmi zu Serrin. »Ich muß die ganze Zeit im Lager bleiben. Nholo wird euch zu Shakala bringen. Er fährt aber sofort wieder zurück. Ihr müßt selbst den Rückweg finden, könnt aber auch warten, weil er morgen um die gleiche Zeit wiederkommt. Wenn ihr bis dahin nicht wieder da seid, sagen wir den anderen, daß ihr von den Löwen gefressen worden seid.« Er stieß ein extrem realistisches, kehliges Löwenknurren aus, um dann leise in sich hineinzukichern.
    »Danke, Chummer«, sagte Serrin trocken und schnallte sich auf dem Rücksitz an. Da Tom den Beifahrersitz in Beschlag nahm, mußte er sich mit Michael und Kristen auf den Rücksitz quetschen. Die Scheinwerfer des Jeeps flammten auf und enthüllten ein Miasma aus riesigen Motten und summenden Insekten. Serrin suchte in seinem Rucksack nach dem Insektenspray, fand es jedoch nicht, bevor der Jeep seine markerschütternde Fahrt antrat. Danach war es praktisch unmöglich, noch irgend etwas aus dem Rucksack herauszuholen. Der Elf konnte nur hoffen, daß sie zu schnell fuhren, um von irgend etwas gebissen oder gestochen zu werden.
     
    Martin kannte die Anzeichen für Luthers wachsenden Zorn nur allzu gut. Die Spannung war fast greifbar. Die Arbeit war so anspruchsvoll, so präzise, so unvermeidlich mit winzigen Fehlern durchsetzt, welche die Perfektion ruinierten, die Luther anstrebte. Die Molekularproben hatten einfach nicht die erforderliche Präzision, nicht mit den zur Verfügung stehenden Techniken. Ein hartnäckiger Wissenschaftler wäre einfach jeder Möglichkeit nachgegangen und hätte dann die Fehler ausgemerzt, aber solch eine Person wäre andererseits nie in der Lage gewesen, Luthers Entdeckungen zu machen. Er wußte genau, was er wollte, und die sture Weigerung der Natur, damit herauszurücken, erzürnte ihn weit über jedes vernünftige Maß hinaus.
    Martin war bei dem Wutanfall anno '42 nicht im Kloster gewesen, als Luther jedes anwesende Lebewesen getötet hatte. Martins Aufgabe hatte darin bestanden, diesen Vorfall zu vertuschen, also hatte er das Feuer gelegt, das einen Großteil des alten Bauwerks vernichtet hatte. Er glaubte nicht, daß er noch einmal mit so einem Trick durchkommen würde. Die Zeit wurde knapp, Luther war der Lösung jetzt sehr nah, und Martin mußte das Risiko eingehen, das Luther selbst wegen der Nähe des Opfers nicht tragen wollte. Luther war jetzt blind und taub für alles, brauchte weder Essen noch Trinken noch Schlaf, war sich nur noch vage irgendwelcher Dinge bewußt, die außerhalb seiner Laboratorien vorgingen. Martins Abwesenheit würde nicht auffallen. Wenn Luther zum Berserker wurde, mochte ihn eine letzte rauschhafte Mahlzeit wieder zur Vernunft bringen.

19
     
    Ihr Fahrer war offenbar nervös, sogar ängstlich, als er den Jeep anhielt. Er drängte sie förmlich auszusteigen. Mit dem Versprechen, in der nächsten Nacht zurückzukehren, wenn sie bis dahin nicht im Lager eingetroffen waren, beschrieb er ihnen den Weg.
    »Eine Halbe Meile in dieser Richtung. Wenn ihr die Geparden fauchen hört, geht weiter. Schießt nicht.« Die Augen vor Besorgnis geweitet, wendete er das Fahrzeug voller Hast und brauste davon.
    »Halt die H&K bereit, Tom«, sagte Michael, den Lichtstrahl seiner Taschenlampe nach vorn richtend. Seine andere Hand hielt einen Predator.
    Sie sahen die Raubkatzen nicht, sondern hörten sie nur, aber es war nicht das Fauchen, das sie erwartet hatten. Statt dessen klangen die abgehackten Rufe der Geparden mehr wie ein protestierendes Miauen. Auf jeden Fall schien es kein Vergleich zum Brüllen der Löwen zu sein.
    Sie pirschten vorsichtig über die Steppe und hätten beinahe überhaupt nicht bemerkt, daß sie Shakala gefunden hatten, bis sie die Bäume, die vor ihnen vor dem Hintergrund des klaren Sternenhimmels aufragten, einer genaueren Betrachtung unterzogen. Die Äste und Zweige schienen merkwürdig verdreht zu sein, und aus den Wipfeln starrten gelb funkelnde Augen auf sie herab. Dann begriffen sie - rein instinktiv, bedachte