Notaufnahme
gesehen, die sie drüben abgemurckst haben.«
»Haben Sie sie gekannt?«
»Hab’ sie zum ersten Mal in der Glotze gesehen.«
»Wo willst du heute Nacht schlafen, Scrubs?«
Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass man dem armen Kerl diese Frage schon einmal gestellt hatte – in einer Art Generalprobe, bevor er vor mir auftreten durfte.
»Ich bleib’ gern hier, so lange ich darf.«
McGraw warf mir einen zufriedenen Blick zu. »Das sollten Sie Paul Battaglia erzählen. Ich hab’ keine Lust, später irgend jemanden behaupten zu hören, ich würde mit diesen Bekloppten nicht fair umgehen. Ich setze mich dafür ein, dass es ihnen hier an nichts fehlt. Meine Männer haben entsprechende Anweisungen.«
Ich beschloß, mir die entscheidende Frage für Peterson aufzuheben. Nachdem McGraw abgerauscht war, fragte ich den Lieutenant: »Und was ist, wenn einer von ihnen heute Nacht gehen will? Ist es ihre freie Entscheidung?«
»Lassen Sie sie doch ein paar von den Jungs über Nacht mit nach Hause nehmen, Loo«, schaltete sich Chapman ein. »Sie hat ein weiches Herz, nicht wahr, Coop? Kochen kann sie ihnen zwar nichts, aber ich wette, sie würden morgen Früh von Kopf bis Fuß neu eingekleidet hier auf der Matte stehen.«
»Alex, Sie wissen ganz genau, dass ich keinen von ihnen gehen lassen kann. In den Obdachlosenasylen wollen sie nicht bleiben, und keiner von ihnen hat Angehörige mit festem Wohnsitz. Wir sehen die nie wieder. Wir haben von jedem von ihnen Fingerabdrücke genom…«
» Ihr habt was ?«
»Alex, sie haben zugestimmt.«
»Diese Art von ›Zustimmung‹ würde vor Gericht nicht zehn Sekunden Bestand haben, das wissen Sie doch genau. Falls einer dieser Männer tatsächlich irgend etwas mit dem Mord an Gemma Dogen zu tun hat, können wir uns sämtliche Beweise ans Knie nageln.«
»Bei ein paar von ihnen, bei mindestens dreien, hat der Computer Vollzugsbefehle ausgespuckt. Kleine Sachen – Schwarzfahren, Taschendiebstahl, unerlaubtes Betreten öffentlicher Flächen. Nichts in Zusammenhang mit Gewalt, aber doch genug, um sie in Gewahrsam zu behalten, bis die jeweiligen Verhandlungen stattfinden.«
Noch mehr Ärger. »Wisst ihr, ob an den schwebenden Verfahren Anwälte beteiligt sind?«
»Kein Problem, Alex. Wir haben die Namen erst gecheckt, nachdem wir die entsprechenden Fragen gestellt haben. Ich weiß, dass Sie unser Vorgehen nicht billigen können, aber wir haben unter den herrschenden Umständen keine andere Wahl.«
An diesem Abend würde ich das Problem nicht mehr lösen, aber das erste, was ich am nächsten Morgen tun wollte, war, mit Rod Squires zu sprechen. Als Leiter der Prozessabteilung war er McGraw schon mehrmals – und mit mehr Erfolg als ein Dutzend meiner Kollegen zusammengenommen – auf die Füße gestiegen.
Ich steckte meine Notizblöcke in die Mappe und setzte mich zu Mercer an den Tisch; beide warteten wir darauf, dass Chapman sein Telefongespräch beendete.
»Was haltet ihr von einem netten Abendessen?« erkundigte ich mich.
»Viel. Ich hab’ Lust auf Chinesisch.«
»Shun Lee Palace?«
»Gute Idee, Cooper, der beste Chinese der Stadt.«
Chapman legte auf und verließ mit uns den Raum.
»Das könnte der Durchbruch sein, den wir brauchen. Das war ‘ne Hellseherin, die eben angerufen hat. Sie hat in den Frühnachrichten vom Mord an Gemma Dogen gehört und seitdem jede Menge Eingebungen gehabt. Sie meinte, mit ein paar zusätzlichen Einzelheiten über die Tote könnte sie uns morgen Früh den Namen des Mörders nennen. Ja, du brauchst gar nicht die Augen zu verdrehen, Blondie, woher willst du wissen, dass es nicht doch funktioniert?«
»Was hast du ihr gesagt?«
»Dass sie mit uns essen gehen soll und wir die Sache dabei in Ruhe besprechen.«
»Mike, ich hab’ wirklich keine Lust, den Abend mit …«
»Keine Panik, Cooper, verlier nicht schon am ersten Tag den Humor. Wohin gehen wir? Ich hab’ ihr weder den Namen des Restaurants noch die Uhrzeit genannt. Ich hab’ ihr gesagt, dass sie’s schon erraten wird, wenn sie ‘ne richtige Hellseherin ist. Komm schon, Mercer, nichts wie raus hier aus dem Laden.«
7
Das Restaurant an der fünfundfünfzigsten Straße war fast leer, als wir gegen elf ankamen. Patrick Chu begrüßte uns mit einem Bückling und führte uns an der Bar vorbei in einem großen Speisesaal mit kobaltblauen Wänden, die mit Laterne und antiken Porzellantellern geschmückt waren, was dem Ganzen eine für chinesische Lokale in Manhattan ungewöhnlich
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