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Notbremse

Notbremse

Titel: Notbremse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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aufjetaucht.‹«
    Linkohr notierte sich diese Aussage wörtlich.
    »Bis jetzt ist er nicht aufgetaucht«, wiederholte Häberle. »Wie hat er das gesagt? Verängstigt, aufgeregt oder eher gelassen?«
    »Aufgeregt, würd’ ick meenen. Ick bin dann weiterjegangen und hab mir nischt dabei jedacht.«
    »Gab ja auch keinen Grund«, beruhigte ihn der Chefermittler. »Sonst aber haben Sie nichts gehört, was auf den Gesprächspartner schließen ließe?«
    »Wie ick das zweete Mal an ihm vorbeijeschlendert bin, hab ick nur noch jehört, wie er jesagt hat: ›Diesmal nicht mehr. Darauf können Sie sich verlassen.‹«
    Die drei Männer schwiegen für ein paar Sekunden, dann durchbrach Häberle die Stille: »Aber sonst ist Ihnen am Ulmer Bahnhof nichts aufgefallen?«
    »Nee. Wie komm’n Se denn da druff?«
    »Im Zug«, griff Linkohr das Gespräch noch einmal auf, »da sollen Sie zum Zeitpunkt der Notbremsung gerade im Gang unterwegs gewesen sein.«
    »Ja, sagte ich dem Schaffner schon. Deshalb bin ick doch mit der Dame zusammengerasselt … Der Zug hat so scharf abjebremst, dass wir uns gerade noch aneinander festhalten konnten.«
    »Und … dürfen wir fragen, weshalb Sie sich auf dem Gang aufgehalten hatten?«, wollte Häberle wissen.
    »Na klar, doch«, gab sich der Berliner leutselig, »ick hab seh’n woll’n, wie der Zug über die Geislinger Steige fährt. Is’ doch wat Besonderes, oder nich’?«
     
    Sylvia Ringeltaube war im Auftrag ihres Chefs in die Ulmer City gefahren, um eine Geschenkpackung mit drei Flaschen erlesenen französischen Rotweins zu kaufen – für 48,50 Euro. Konstantin Rieder pflegte seine Geschäftsfreunde zu verwöhnen, vor allem aber bei Laune zu halten. Und da handelte er nach der alten Devise ›Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft‹. Manchmal aber, das wusste die junge Frau längst, bestanden die ›kleinen Geschenke‹ keinesfalls nur aus einem schön verpackten Kistchen Wein. Wenn es sein musste, schienen auch ganze Mittelklassefahrzeuge die eine oder andere Geschäftsbeziehung in die richtigen Bahnen zu lenken. So genau wusste sie das zwar nicht, doch hatte in den vergangenen Jahren einiges darauf hingedeutet. Seit aber die Regierung mit ihrer Gesundheitsreform in der Branche für erhebliche Unsicherheit sorgte, mussten rechtzeitig die Weichen gestellt werden. Niemand konnte schließlich genau vorhersagen, womit die Pharmaindustrie in den nächsten Jahren rechnen musste.
    Sylvia Ringeltaube hatte gerade wieder den komplizierten, weil mehrspurigen Kreisverkehr am Blaubeurer Tor verlassen, als auf ›Radio 7‹ die 11-Uhr-Nachrichten gesendet wurden. Eigentlich interessierte sie das endlose Gerangel der Parteien in Berlin überhaupt nicht. Doch dann wurde sie doch hellhörig, als gegen Ende der Nachrichten der Sprecher den Zugverkehr zwischen Ulm und Stuttgart erwähnte, der momentan behindert sei. »Nach Angaben der Polizei wurde in einem ICE, der Ulm um 8.51 Uhr verlassen hatte, ein Mann erschossen. Die Tat ereignete sich vermutlich auf der Geislinger Steige, wo ein Unbekannter die Notbremse zog und aus dem Zug flüchtete.«
    Sylvia Ringeltaube hatte plötzlich Mühe, sich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren. Sie drehte das Radio lauter. »Der ICE wird derzeit in Geislingen von der Polizei durchsucht. Mit Verspätungen auch im Nahverkehr ist zu rechnen«, wurde die Meldung beendet und zum Wetterbericht übergeleitet, der für die nächsten Tage eine hochsommerliche Lage prognostizierte.
    Beinahe hätte Sylvia Ringeltaube das Rotlicht einer Ampel übersehen. Sie trat fest auf die Bremse, worauf der S-Klasse-Mercedes ihres Chefs noch rechtzeitig zum Stehen kam. Ihr Blutdruck stieg. Sie versuchte, sich an die Abfahrtszeit des Zuges zu erinnern. Hatte der Sprecher 8.51 Uhr gesagt? Ja, da war sie sich ganz sicher. 8.51 Uhr. Sie stierte geradeaus und spielte in Gedanken durch, was da in diesem Zug geschehen sein konnte. Erst die Hupe des Hintermanns holte sie wieder in die Realität zurück. Die Ampel zeigte Grün.
    Sie fuhr viel zu langsam weiter und suchte nach einem günstigen Platz, um anhalten zu können. Eine Bushaltestelle erschien ihr dafür geeignet. Sie stellte den silberfarbenen Mercedes ab, kramte ihr Handy aus der Handtasche und drückte hastig einige Tasten. Das Freizeichen quälte sich eine halbe Ewigkeit hin.
    »Geh schon ran, Mensch«, flüsterte sie ungeduldig und beobachtete im Rückspiegel den vorbeiflutenden Verkehr. Endlich hörte sie die vertraute

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