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Notbremse

Notbremse

Titel: Notbremse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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einen Strick drehen konnten. Vermutlich wurde im Polizeirevier jeder Anrufer schriftlich festgehalten oder gar aufgezeichnet.
    Er schwitzte. Unter keinen Umständen durfte er sich jetzt zu weiteren unüberlegten Handlungen hinreißen lassen. Er musste einen kühlen Kopf bewahren. Vor allem musste er sachlich entscheiden, emotionslos – genau so, wie er es auf diversen Managerseminaren gelernt hatte. Keine Gefühlsduseleien, kein Mitleid, sondern knallharte Entscheidungen. Zum Wohle der Firma, der Aktionäre – und letztlich für sich selbst. Für sich selbst, meldete sich eine Stimme in seinem Kopf. Für ihn selbst, das würde aber auch bedeuten, Sylvia mit einzubeziehen. Aber das war natürlich Unsinn. Wann würde er endlich begreifen, dass sie nicht wirklich etwas von ihm wollte? Seit ihm das klar geworden war, hatte sich sein Benehmen ihr gegenüber wieder verändert. Er musste daran denken, wie er sie heute früh wieder angefahren hatte. Ganz so, als sei nie etwas gewesen. Er war unbeherrscht gewesen. Ein Idiot. Dabei hatten sie irgendwann einmal davon gesprochen, in Südfrankreich eine Villa zu kaufen. Für ihn hätte dies Scheidung und familiären Stress bedeutet, doch hatte er längst genügend Kapital beiseite- und vor allem am Fiskus vorbei geschafft, um sich mit einer anderen Frau eine neue Existenz aufbauen zu können. Nur – und jetzt überwogen wieder die Zweifel – schien es ihm, als ob Sylvia zwar gern mit ihm Luftschlösser baute, ihn heiß- und scharfmachte, dann aber stets aufs Neue fallen ließ wie eine heiße Kartoffel. Dass er dann enttäuscht, bisweilen zornig und wütend reagierte, musste sie doch verstehen, dachte er, um sogleich diesen neuerlich aufkommenden Gedanken wieder aus seinem Kopf zu verbannen. Nein, er musste diese Sache ohne sie lösen. Und wenn sie jetzt verschwunden oder gar schon tot war, dann war es ohnehin besser, sie ein für alle Mal aus seinem Leben zu streichen. Wahrscheinlich war er wirklich der größte Idiot auf Gottes Erdboden.
    Horschak, meldete sich die Stimme im Kopf. Horschak. Auch ihm hatte er vertraut. Natürlich war es ein anderes Vertrauen. Kein erotisch aufgeladenes Vertrauen, wie es ihn im Falle von Sylvia blind gemacht hatte. Nein, hier war es die Seriosität, die der Mann ausstrahlte, sein selbstbewusstes Auftreten und die Art und Weise, wie er Probleme lösen konnte. Notfalls, so war es ihm oft vorgekommen, würde Horschak über Leichen gehen. Und dass dies in diesem Job und in dieser Branche notwendig war, daran bestand für ihn kein Zweifel. Er war der richtige Mann an der richtigen Stelle. Zwar ein freier Handelsvertreter, wie er sich nannte, aber nun schon seit über vier Jahren für die Ulmer ›Donau Pharma AG‹ unterwegs – und dies sogar erfolgreich, wie Rieder überlegte. Die Provisionen, die monatlich ausbezahlt wurden, erreichten oft schwindelerregende Höhen. Und dennoch war Horschak nicht zufrieden damit. Erst vorletzte Woche hatte er wieder eine Erhöhung angemahnt – und sich eine Absage eingehandelt.
    Rieder war sich ziemlich sicher, dass Horschak nicht allein von den Provisionen der ›Donau Pharma AG‹ lebte, selbst wenn ihm diese ausgereicht hätten. Er war mit allen Wassern gewaschen und ein findiger Hund. Rieder konnte seinen Gedanken nicht zu Ende führen, weil das Telefon summte. Er griff hastig zum Hörer und meldete sich freundlich. Für einen kurzen Moment wurde ihm die ganze Schizophrenie seines Hoffens deutlich: Nur wenn Sylvia in einen Unfall verwickelt war, konnte er erleichtert sein. Denn dann gab es einen vernünftigen Grund für ihr Verschwinden. Doch der Beamte in der Leitung konnte nicht ahnen, dass die Botschaft, die er überbrachte, keine Erleichterung auslöste.
    »Es hat in den letzten viereinhalb Stunden auf diesem Streckenabschnitt weder einen Unfall noch einen Stau gegeben«, teilte der Polizist mit. Rieder bedankte sich knapp und legte auf. Sollte sie doch der Teufel holen.

12
    Linkohr konnte sich wieder mal nicht mit seinem Ausspruch zurückhalten, nachdem ihm sein Chef erklärt hatte, wer der Anrufer war – oder besser: die Anruferin. Während sie das Backsteingebäude der Kriminalpolizei verließen, brütete trotz der späten Stunde noch ein halbes Dutzend Kollegen der Sonderkommission über den unzähligen Protokollen, die am Vormittag bei den Vernehmungen der ICE-Passagiere angefertigt worden waren.
    Häberle klemmte sich hinters Steuer und fuhr auf die nahe Bundesstraße 10 hinaus, auf der um diese

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