Notbremse
zufrieden?«, hörte er die Stimme so laut sagen, dass er befürchtete, das Pärchen hinter ihm könnte sie auch verstehen.
»Nichts ist okay«, flüsterte er. »Das Weib ist noch immer nicht da.«
Pause. Dann die ungläubige Stimme:
»Was sagen Sie da? Frau Ringeltaube ist noch nicht bei Ihnen?«
»Nein«, gab Horschak unwirsch zurück. »Ich sitz hier rum und warte.« Am liebsten hätte er seinem Ärger lautstark Luft gemacht. Hätte hinausgebrüllt, dass er es wohl nur mit unfähigen und unzuverlässigen Mitarbeitern zu tun hatte. Dass er die Kohlen aus dem Feuer holen musste, während sich andere vergnügten. Warum hatte der Idiot auch diese Frau geschickt und nicht einen Kurierdienst beauftragt? Horschak malte sich für eine Sekunde aus, wie sich Konstantin Rieder bei den angeblichen Geschäftsreisen Seite an Seite mit dieser Sylvia Ringeltaube sonnte – zumindest war dies anfangs so gewesen. In jüngster Zeit allerdings hatte man nichts mehr davon gehört. »Und jetzt?«, gab er sich ungeduldig.
»Ich kann mir das gar nicht erklären«, kam Rieders Stimme zurück. »Sie ist normalerweise absolut zuverlässig.«
»Normalerweise. Was ist heute schon normal? Ich brauch das Ding auf jeden Fall, verstehen Sie?« Er wurde lauter und senkte seine Stimme sofort wieder.
»Wo sind Sie jetzt?«, wollte Rieder wissen.
»In der Bar – aber mir ist die Laune gründlich versaut.« Er ließ seinen Blick vorsichtig durch das Lokal streifen. Noch immer erschien ihm keiner der Gäste verdächtig.
»Gehen Sie auf Ihr Zimmer«, schlug Rieder vor. »Ich melde mich wieder.« Damit war das Gespräch beendet.
Irgendetwas, so hämmerte es in Horschaks Kopf, irgendetwas lief schief. Und zwar verdammt schief.
»Können Sie denn Italienisch?«, staunte Linkohr, als Häberle die Nummer in Bozen wählte.
»Mann, Kollege«, entrüstete sich der Chefermittler spitzbübisch, »Sie kennen sich vielleicht in der Karibik oder auf Mallorca aus! In Südtirol wird Deutsch gesprochen. Da sind die sogar sehr stolz drauf.« Häberle legte den Hörer wieder auf die Gabel zurück. »Zumindest die meisten«, fügte er an und hob erneut ab. Er hatte vergessen, dass in Italien nach der Landesvorwahl auch die Null der örtlichen Vorwahl mitgewählt werden musste. Er schielte auf die Uhr. 23.45 Uhr. Vermutlich war’s schon viel zu spät, um in einer kleinen Autovermietung in Bozen noch jemanden zu erreichen. Die Globalisierung hatte zwar die Hektik und den Stress bis in den letzten Winkel der Erde getragen, aber nicht alle Nationen ließen sich derart davon anstecken wie die Deutschen, dachte Häberle und legte den Hörer erneut auf. »Den Chinesen finden wir im Telefonbuch nicht?«, wandte er sich wieder an Linkohr, der die Frage mit einem Kopfschütteln beantwortete.
»Dann werden wir wohl oder übel morgen früh über die Staatsanwaltschaft Bozen gehen müssen«, seufzte Häberle. »Aber keine Sorge, ich weiß, wie der Chef dort heißt.«
Linkohr sah den Hauptkommissar fragend an.
»Marusso«, erklärte der. »Cuno Marusso – falls er nicht schon im Ruhestand ist. Hab oft genug seinen Namen im ›Dolomiten‹ gelesen, wenn’s dort unten Mord und Totschlag gegeben hat.«
»Den ›Dolomiten‹?«, gab sich Linkohr unwissend.
»Die deutschsprachige Zeitung in Südtirol. Hat mir Susanne immer vom Einkaufen mitgebracht. Eine interessante Frühstückslektüre – da sehen Sie dann, was die Menschen dort unten bewegt. Und dass es dort die gleichen Ganoven gibt wie bei uns.«
Linkohr wollte nicht darauf eingehen, schließlich war er tatsächlich noch nie in Südtirol gewesen. Bislang hatte er damit stets Reiseziele für ältere Semester verbunden. Aber inzwischen, das war ihm schon einmal bewusst geworden, schwärmten nicht nur Altersjahrgänge eines August Häberle von dieser Gegend, sondern zunehmend auch Jüngere. Vielleicht fand er schon bald eine neue Freundin, die sich dafür begeisterte. Dieser verlockende Gedanke erinnerte ihn an eine Vernehmung, die er für den morgigen Tag ausgemacht hatte. »Dieses ›Pferdchen‹ – Sie erinnern sich an unseren Pharmazierat«, wechselte er deshalb das Thema, »dieses ›Pferdchen‹ macht morgen einen Zwischenstopp bei uns.«
Häberle begriff sofort. Linkohr war wohl scharf darauf gewesen, dieses ›Pferdchen‹ selbst in Augenschein nehmen zu können.
»Wie? ›Pferdchen‹ kommt zu uns?«
Linkohr nickte stolz. »Mit dem Regionalexpress kurz nach halb zwölf. Sie muss aber möglichst mit
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