Notbremse
Zustimmung und bat, auf dem Laufenden gehalten zu werden. Doch Rieder erwiderte nichts, sondern beendete das Gespräch.
Horschak war die Lust zu einem gemütlichen Frühstück gründlich vergangen. Trotzdem ging er nach unten, suchte sich einen eigenen Tisch und versuchte, ein paar Bissen zu essen und eine Tasse Kaffee zu trinken. Wenn er noch einige Tage hier verbringen musste – und danach sah es aus –, brauchte er weitere Kleidung. Seine Frau hatte am Wochenende mit dem Auto herkommen wollen, doch das hatte er ihr ausgeredet. Er entschied, sich in einem der Geschäfte, die sich an der nahen Hauptstraße aneinanderreihten, mit einer weiteren Jeans, Shorts und einigen T-Shirts einzudecken. Mehr brauchte er nicht, schließlich hatte er beschlossen, sich an den Hödenauer See zurückzuziehen und ein paar Runden Wasserski zu laufen.
Nachdem er einige Kleidungsstücke gefunden hatte, die er, ohne lange nachzudenken, kaufte, obwohl sie ihm nicht optimal passten, fuhr er mit einem Taxi aus dem Ort hinaus. Die Strecke zum See war ihm vertraut – vorbei an der Abzweigung zur Autobahn und an einem kurzen Waldstück ging es im spitzen Winkel rechts hinab. In der Talaue glitzerte die Wasserfläche eines größeren Weihers, an dem sich bereits die ersten Ausflügler mit Campingliegen breitgemacht hatten. Als das Taxi auf dem schmalen Sträßchen weiterfuhr, sah er vor sich die verwitterte Felswand des ›Zahmen Kaisers‹ aufragen, die von der höher steigenden Sonne seitlich angestrahlt wurde.
Nach 200 Metern hatte das Taxi die kleine moderne Boutique erreicht, in der sämtliches Zubehör zum Wasserskilaufen zu kaufen oder zu mieten war. Dahinter ragte ein schräger Gittermast auf, an dem zwei Fahnen flatterten, die eine schwarz-rot-gold, die andere blau-weiß. Außerdem gab es ein hellblaues Banner, auf dem für alkoholfreies Bier geworben wurde. Auf der Terrasse saßen gut zwei Dutzend Personen bei einem Cappuccino oder Latte macchiato. Horschak ließ den Fahrer bei den Parkplätzen anhalten, bezahlte und stieg aus. Während das Taxi wegfuhr, sah er, dass hinter der Boutique bereits ein Dutzend Wassersportler auf eine freie Leine des Skilifts wartete. An einem Sommertag wie heute, das wusste Horschak, herrschte großer Andrang.
Er ging in der schwülen Hitze des Vormittags an der Reihe geparkter Autos entlang und warf einen Blick zu der Pizzeria hinüber, auf deren Terrasse ebenfalls schon wieder Gäste saßen. Überm Uferbewuchs zitterten die beiden zehn Millimeter starken Umlaufseile der Wasserskianlage, die in regelmäßigen Abständen ein straff gespanntes, schräg abwärts führendes Seil hinter sich herzogen. Ein Zeichen dafür, dass offenbar alle neun Schleppvorrichtungen ausgelastet waren. Die Anlage beschrieb innerhalb des etwa 500 Meter langen Sees einen ovalen Kurs und umrundete dabei eine kleine Mittelinsel. Eineinhalb Minuten dauerte die Fahrt, die Kraft und Konzentration verlangte. Zweimal am Tag gab’s auch schnelle Runden. Dann wurde nahezu aufs Doppelte beschleunigt und die geübten Sportler vollführten weite und kühne Sprünge über Schanzen. Horschak zählte nicht zu ihnen. Er war froh gewesen, als er vor zwei Jahren nach mehreren Versuchen und Stürzen seine erste Runde geschafft hatte. Während er sich der Boutique näherte, musste er an die geselligen Tage denken, die sie alle hier schon erlebt hatten. Rieder war auf die Förderung des Teamgeistes bedacht gewesen, hatte sportliche Aktivitäten organisiert und seine Mannschaft zusammengeschweißt. Das Management des Unternehmens und die vielen Außendienstler sollten Freude daran haben, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Dazu trugen verlängerte Wochenenden mit Wettkämpfen bei. Die meisten von ihnen hatten Spaß am Wasserskifahren, nachdem ihnen die Miteigentümerin der Anlage, eine junge sportliche Frau, die Grundbegriffe beigebracht hatte. Sabine, so hieß die Blondine, war, so oft es ihre Rolle als Mutter und Hausfrau zuließ, mit ihrem Bruder Markus am See. Obwohl an warmen Sommertagen Hunderte von Läufern ihre Runden drehen wollten, kannten die beiden ihre Stammgäste. Entsprechend freundschaftlich war die Begrüßung, als Sabine das vertraute Gesicht Horschaks sah. Die braun gebrannte junge Frau in bunten Boardshorts begrüßte ihn mit einer herzlichen Umarmung. »Wie kommt es, dass du mitten in der Woche Zeit hast?«, fragte sie strahlend und lud ihn auf der Terrasse zu einem Cappuccino ein.
»Ich brauch eine Auszeit.«
»Junge,
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