Notbremse
sich an ein Gespräch, das er vor einigen Wochen mit dem Geislinger Polizeirevierleiter Watzlaff und dem örtlichen Ordnungsamtsleiter geführt hatte. Dabei war es in der Tat um manipulierte Geldspielautomaten gegangen, deren Elektronik umprogrammiert worden war, um die Gewinnwahrscheinlichkeit zu senken. Außerdem sollte auf diese Weise ferngesteuert auf die Geräte Einfluss genommen werden können. Während ein nichtsahnender Spieler vor dem Automaten saß und ihn ein ums andere Mal mit Geld fütterte, sorgte ein paar Meter davon entfernt ein Betrüger mit der Fernbedienung dafür, dass das Gerät hin und wieder ein paar kleine Gewinne bescherte, was zu neuen Einsätzen animieren sollte. Letztlich aber wurde auf diese Weise so raffiniert ferngesteuert, dass der Spieler immer der Verlierer war. Außerdem, so hatte Watzlaff dargelegt, konnten die komplizierten Geräte per Software mit illegalem Glücksspiel versehen werden, das beim Auftauchen von Kontrolleuren sofort ferngesteuert vom Monitor weggeschaltet wurde.
Häberle wurde durch Marussos weitere Ausführungen aus diesen Gedanken gerissen: »Wir gehen allein in Südtirol von einem Schaden in zweistelliger Millionenhöhe aus.«
»Und wie erfolgreich sind Ihre Ermittlungen?«
»Zumindest sind sie langwierig. Wir wissen, dass es darauf spezialisierte Betriebe gibt, die in den Geräten die elektronischen Bauteile austauschen.«
»Und wer profitiert davon?«
»Die Automatenverleiher und die Inhaber von Spielhallen natürlich.« Marusso scherte nach rechts ein, weil die Ausfahrt Lana angekündigt wurde. »Nicht zu vergessen natürlich die internationalen Gruppen, die solche Geräte in ganz Europa anbieten.«
»Unglaublich, was den Ganoven einfällt«, kommentierte Häberle. Er war während seines Berufslebens bisher unablässig vom Einfallsreichtum der Kriminellen überrascht worden. Er konnte sich noch gut an die ersten Fälle von Computerkriminalität entsinnen, dann an die ersten gestohlenen Rechner, die damals so Namen wie ›Commodore‹ hatten, oder schließlich an das ›Phishing‹, das illegale Herausfischen von Passwörtern und PIN-Nummern aus dem Internet. Jede neue Technologie war innerhalb kürzester Zeit von Kriminellen missbraucht worden. Es gab nichts, was nicht sofort die Ganoven auf den Plan rief – und wenn sie die Geräte auch nur als beliebte Beute sahen, die wieder zu Geld zu machen war.
»Ja, so ist es«, meinte der Staatsanwalt und verließ die Mebo, um auf Lana zuzufahren. »Das beschäftigt uns schon seit über sechs Jahren. Aber bisher ist es uns nicht gelungen, die Zentrale auszuheben.«
»Die Zentrale? Sie vermuten, das Ganze wird von Bozen aus gesteuert?« Häberles Interesse stieg, wenngleich nicht mit allerhöchster Intensität. Ihm wäre es lieber gewesen, dies alles hätte etwas mit pharmazeutischen Unternehmen zu tun.
»Wir haben schon mal einen Transport Richtung Deutschland gestoppt, droben am Reschenpass. Aber die Spur hat nur zu einem Zwischenlager in Kaltern zurückgeführt – Sie wissen, eine Gemeinde am Kalterer See.«
Zwischenlager. Irgendwoher kam Häberle das Wort bekannt vor. Aber er musste sich jetzt auf seinen Fall konzentrieren. Auf diese Ferienwohnung, in der diese Ringeltaube hin und wieder logierte.
26
»Privatdetektei Hocke und Hocke«, las Fludium vom Monitor. »Bewachungen, Beobachtungen, Begutachtungen. Erfahren auch in Auslandsaufträgen.«
»Da haut’s dir ’s Blech weg«, kommentierte Linkohr und rückte seinen Stuhl näher an den Schreibtisch des Kollegen heran. »Dieter und Friedrich Hocke«, las er weiter. »Stephanskirchen. Wo ist denn das?«
Fludium zuckte mit den Schultern, klickte einige Male mit der Maus und hatte über den Routenplaner eine Landkarte gefunden, die ihm den Ort anzeigte. »Guck dir das mal an. Das liegt ganz dicht bei Rosenheim – und hier ist ein See. Simssee. Zehn Kilometer westlich vom Chiemsee.«
»Chiemsee?«, überlegte Linkohr. »Der liegt direkt an der A 8 Richtung Salzburg.«
»Und nicht weit vom Inntaldreieck weg. Fällt dir was auf?«
Linkohr stieß die Luft aus. »Inntaldreieck und Irschenberg – und Kiefersfelden. Das meinst du doch, oder?«
»Volltreffer«, gab der ältere Kollege zurück und klickte wieder auf die Homepage und dort auf den Link ›Wir über uns‹. Doch er hatte vergebens gehofft, dort ein Foto der beiden Detektive zu finden, die entweder Vater und Sohn oder Brüder waren. Klar, dachte er, Detektive wären vermutlich töricht,
Weitere Kostenlose Bücher