Notizen aus Homs (German Edition)
etwas weiter weg, aber ansonsten keine Granatschüsse. Es scheint, dass wir außerhalb der Reichweite der RPGs sind. Abu Hussein erklärt, dass sie nur dann vom Panzer aus schießen, wenn sie angreifen. Wenn aber die FSA einen von ihnen tötet, werfen sie Mörsergranaten.
Der Imam des Viertels stimmt seinen Aufruf zum Gebet an, als wäre nichts gewesen. Junge Männer kommen und gehen. Alaa hat sich vor das Schießloch gestellt und raucht.
Gefechtspause. Man unterhält sich. Abu Mahmud kommt rein und begrüßt uns freudig. Ein weiterer Soldat der FSA ist leicht verletzt worden, von Glassplittern an der Stirn. Soldaten schlagen vor, nach Inschaat zu fahren. – »Nein, bleibt auf eurem Posten«, befiehlt Abu Mahmud.
Es ist eiskalt, Atemwolken steigen vor den Gesichtern auf, die Männer drehen in der verwüsteten Wohnung ihre Kreise.
Ali ruft uns an: In der Gilani-Moschee gibt es einen schahid . Wir rennen dorthin, um nicht das Ende des Gebets zu verpassen. Ganz außer Atem kommen wir an. In der Moschee beten wenige Leute. Der Leichnam liegt in einer Ecke, eingehüllt in ein Leichentuch und aufgebahrt auf einem Katafalk. Aber wie es scheint, ist er eines natürlichen Todes gestorben.
Wir kaufen Süßigkeiten und Chips im Lebensmittelgeschäft an der Ecke, genug für alle, und rennen zurück zu den Häusern an der Front. Abu Mahmud hat von einem Mann aus Inschaat, wo es schon losgegangen ist, die Information erhalten, dass die Armee angreifen wird.
Vor seinem Hauptquartier schraubt Hassan, im Trainingsanzug, ein Präzisionsgewehr zusammen. Er bestätigt die Information und rät uns, uns in der Wohnung in Sicherheit zu bringen.
Diskussion mit Raed. Hassan schlägt uns vor, zu Ibn Pedro zu gehen, der von einem Gebäude aus schießt. Raed möchte bei Hassan bleiben. Jedenfalls ist gerade so etwas wie eine Pause, es wird kaum noch geschossen, die Männer wärmen sich an einem Kohleofen auf.
Vor dem Gebäude ein KIA mit fünf Einschusslöchern in der Windschutzscheibe, Löchern in den Sitzen. Der Fahrer erzählt uns: Er war gerade dabei, einzusteigen, als sie geschossen haben. » Alhamdulillah! « Das war vor einer Stunde in Inschaat.
Wir kehren vor die Kommandozentrale zurück, essen und unterhalten uns. Die Chips sind mit Essig, nicht sehr gut. Fadi bringt Munition aus der Wohnung. Ich gehe dorthin zurück, mir das Gesicht waschen und ein neues Notizheft holen – dieses hier ist fast voll, und es wäre schade, wenn ich ausgerechnet dann kein neues hätte, wenn es interessant wird. Als ich zurück bin, ist Abu Jazan da. Er ist es, der leicht an der Stirn verletzt ist. Sein Kumpel in Inschaat wurde von einem Scharfschützen an der Leiste verwundet, und aus Wut hat er eine RPG durch eine große Glasscheibe geschossen, die ihm um die Ohren geflogen ist.
Im Moment ist immer noch Feuerpause. Es ist ungefähr 13 Uhr. Vielleicht haben die Soldaten beschlossen zu essen, bevor sie angreifen.
Gerade als ich das schreibe, wird wieder auf allen Seiten geschossen. Hassan bittet uns, zurück an die Wand zu treten. »Es könnte eine Granate kommen.« Aber niemand geht nach drinnen in die Kommandozentrale. Die Soldaten scheinen 100 Meter weit weg zu sein.
Es ist immer noch so grau. Die Sonne hängt über den Gebäuden, eine blasse Scheibe, die im Nebel glänzt. Der etwas graue Geschmack des Krieges.
Hassan nimmt sein Präzisionsgewehr: »Ich will es ausprobieren.« Wir gehen durch die Kommandozentralen-Wohnung, dann durch einen Garten, ein Loch in der Mauer, in eine andere verwüstete Wohnung. Im Wohnzimmer mitten in den Trümmern schöne Möbel, Sofas und vergoldete Sessel, Louis XVI.-Imitationen. Einige sind umgestoßen, einer der Sessel steht vor einem Loch in der Mauer; Hassan setzt sich drauf, zielt und fängt an, einen Schuss nach dem anderen abzugeben. Die leeren Patronen knallen gegen die Wand, Korditgeruch verbreitet sich im Raum. Hassan hat sich den Kopf mit einer Kufije von Raed bedeckt, damit sein Gesicht auf dem Foto nicht zu sehen ist, und er bekommt schnell keine Luft mehr. Abu Hussein kommt, übernimmt den Platz vor dem Loch und fängt an zu schießen.
Sie schießen auf die Sandsäcke des feindlichen Postens, um die Scharfschützen zu zwingen, sich zu ducken, und sie vom Schießen abzuhalten. Sie haben keine so hochentwickelten Waffen, dass sie sie vertreiben könnten, aber sie können sie gelegentlich töten, wenn sie aus der Deckung kommen.
Hassan steigt die Treppe hoch und gibt noch ein paar
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