Notizen aus Homs (German Edition)
ihn in ein Krankenhaus gebracht: Als die Soldaten sahen, in welchem Zustand er war, haben sie ihn durchgelassen: »Er ist ja sowieso schon tot.«
Ziemlich stolz zeigt uns der lebende Märtyrer ein Video von sich kurz nach seiner Verwundung, die Hälfte der linken Lunge war aus der Brust ausgetreten.
Die Jungen sagen, es habe seit unserer Ankunft nur einen Toten gegeben, Abdelkafi M., getötet im Militärkrankenhaus. Bestimmt war er es, dessen Beerdigung wir verpasst haben, der, von dem sie sagten, er sei gerade gestorben. Aber genau davor war es sehr heftig: fünf Tote am Sonntag, dem 15., fünf Tote am Dienstag, dem 17., ein Toter am Mittwoch, dem 18., am Tag, bevor wir ankamen.
Abu Sliman: »Unsere Eltern wurden durch Angst unterdrückt. Wir haben die Mauer der Angst niedergerissen. Entweder wir siegen oder wir sterben.« Macht das V-Zeichen mit den Fingern. Fotosession, wir posieren alle und machen das V-Zeichen – aber nur für ihre Fotoapparate, nicht für meinen.
Montag, 23. Januar
Baba Amr
Unruhiges Aufwachen. Gegen 10 Uhr, 10.20 Uhr tauche ich langsam auf, zum Lärm von entfernten Salven. Ich versuche Raed wachzurütteln; Fadi und Ahmad schlafen im Wohnzimmer, ich schaue nach, ob es warmes Wasser gibt, aber es gibt kein Heizöl mehr. Kurz darauf platzen leicht hektisch ein paar Typen herein, sie wollen Maschinengewehre und Patronengürtel holen. Die Schüsse dauern an, die meisten ziemlich nah, scheint es, irgendetwas ist los. Die Soldaten wecken Fadi und Ahmad, wir ziehen uns schnell an und beschließen, mit ihnen zu gehen.
Draußen ist es nasskalt, neblig. Wir rennen über den kleinen Platz zu Hassans Kommandozentrale, niemand da. Imad kommt im Auto angerast und erklärt uns ein paar Dinge. Wir rennen die Straße mit den Gebäuden entlang, die gegenüber der Front stehen und aus denen geschossen wird. Die Salven sind heftig und ganz nah, es ist eindeutig die FSA, die jetzt schießt. Ibn Pedro kommt mit zwei Kumpels im Auto an, und wir steigen in den zweiten Stock eines Gebäudes. Ein junger Typ ist bereits mit einem Maschinengewehr hinter einem Granatloch postiert, aber das Gewehr hat Ladehemmung. Ahmad geht mit seinem Gewehr hin und nimmt seinen Platz ein, dann fängt er an, kurze Salven abzufeuern. Die leeren Patronen prallen gegen die Wände, Raed fotografiert, ein Höllenlärm. Die anderen schauen ruhig zu, rauchen und erzählen sich Witze. Dann löst Ibn Pedro Ahmad ab, um sich ein bisschen einzuschießen, kleine Morgenübung. Korditgeruch erfüllt die verwüstete Wohnung.
Ibn Pedro erklärt uns die Lage: Ein Scharfschütze hat angefangen, auf Zivilisten zu schießen, und vier Menschen verletzt. Die FSA antwortet dem Scharfschützen, der in einem der Hochhäuser in der Nähe des Stadions postiert ist.
Der erste junge Mann nimmt seinen Posten wieder ein und versucht zu schießen. Er gibt ein paar Salven ab, aber sein Maschinengewehr hat immer wieder Ladehemmung.
Wir gehen. Die Männer auf der Straße sind ruhig, sie unterhalten sich. Fadi kommt. Ich: »Und, hast du das Öl fürs warme Wasser nachgefüllt?« Ahmad fährt los, Munition besorgen.
Wir gehen mit Fadi die Straße hinunter, durch ein anderes Gebäude hindurch, dann durch ein Loch in der Gartenmauer und in das angrenzende Haus. Das Fenster im Treppenhaus ist zersprungen, wir müssen hochrennen. Oben ist die Wohnung mit dem geschmolzenen Fernseher, überall liegen umgeworfene Sofas herum. Ein Mann hat vor dem Loch in der Mauer eine Metallleiter aufgestellt, die ihm als Stütze für seine Waffe dienen soll, und hat es sich auf einem kleinen Bürostuhl bequem gemacht. Mehrere Männer wechseln sich ab und geben ein paar Schüsse ab. Ich fange an, mir Notizen zu machen, Raed ruft Imad an. Es gibt drei Verletzte auf Seiten der FSA, von einer RPG, einer von ihnen ist relativ schwer verletzt. Aber alle Verletzten sind in Abu Baris Klinik, wir kommen nicht an sie heran.
Wir gehen wieder runter, raus aus dem Haus und zurück in die erste Wohnung. Abu Hussein, ein untersetzter, lächelnder Bärtiger mit schlechten Zähnen, der sich in einen traditionellen Umhang gehüllt hat, gibt sehr laute Schüsse mit seinem G3 Heckler & Koch ab. Der andere müht sich immer noch mit seinem verklemmten Maschinengewehr, dann gibt er ein paar Salven ab, die in dem kleinen Zimmer widerhallen.
Es hat sich etwas beruhigt, aber die Männer glauben, dass die Armee wieder anfangen wird. Vorhin gab es eine Detonation einer Gewehrgranate,
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