Nottingham Castle, letzte Tuer links
Und ob du das überlebst?”
Natürlich
war er aufgesprungen, hatte sie gepackt, lachend übers ganze Gesicht, während
sie sich weiter mit dem Tuch wehrte, ebenfalls kichernd. Dann seine Küsse, auf
Wange, Stirn, Mund, seine Hände in ihren Haaren, sein fester Körper nah an
ihrem…
Halt!
Susannah
bekreuzigte sich schnell. Sie hatte ganz vergessen, dass sie in der Kirche war!
Stumm seufzte sie. Sie vermisste ihn. Schon lange. Nicht nur ihn als Mensch,
auch seine Zärtlichkeit, sein Begehren.
Ob
er ihr von dort oben zusah? Was würde er wohl denken über seine Frau, die sich
auf dieses Spiel mit dem Herrn über Nottingham Castle einließ?
Nun
ja, ein richtiger Mann würde sie jetzt sicher nicht als Ehefrau haben wollen.
Die Hoffnung darauf hatte sie schon vor langer Zeit aufgegeben. Viel zu frei
denkend war sie, zu eigenständig. Zu sehr gewöhnt, ihr eigenes Leben zu führen
und sich nach niemandem richten zu müssen. Wer mochte so jemanden schon …
Immer
mehr Menschen fanden sich in der Kirche ein. Susannah stand auf und suchte sich
einen Platz in einer der hinteren Reihen. Gleich würde die Messe beginnen.
Als
die Eingangstür aufgestoßen wurde, fuhren alle Köpfe herum. Der Sheriff schritt
herein, im prunkvollen Gewand und flankiert von zwei Soldaten, die nicht einmal
den Anstand besaßen, ihre Waffen vor den Türen des Gotteshauses niederzulegen.
Aber selbstverständlich wagte es nicht mal der Priester, ihn für dieses
ungebührende Verhalten zu rügen. Mit stolz erhobenem Haupt marschierte er nach
vorne, um sich in der ersten Reihe niederzulassen.
Susannah
zog die Stirn in Falten. Als ob dieser Kerl an irgendetwas glauben würde! Er
wollte natürlich nur bei der Bevölkerung den Eindruck erwecken, ein
gottesfürchtiger Mann zu sein, genauso wie es der geliebte König Richard war.
Außerdem konnte es sich kein Herrscher leisten, die Kirche gegen sich aufzubringen.
Sie war überzeugt davon, dass er sich bei der Kollekte äußerst großzügig zeigen
würde, möglichst so, dass alle Leute um ihn herum mitbekamen, wie viel er in
den Klingelbeutel warf. Susannah schüttelte angewidert den Kopf. Sie war heilfroh,
dass er sie nicht gesehen hatte in der Menschenmenge.
Beim
Verlassen der Kirche zog sie ihre Haube weit ins Gesicht und machte einen
großen Bogen um ihn und seine Gefolgsleute. Lieber unauffällig verschwinden. Sie
hoffte immer noch, dass die Angst vor seiner Mutter ihn davon abhielt, sie weiterhin
aufs Castle zu bestellen.
Auf
dem Weg zurück legte sie einen Halt im Haus von Anne ein, denn sie hatte dem
Mädchen etwas mitzuteilen. Anne hatte inzwischen ihre rosige Gesichtsfarbe
zurückgewonnen, aber ein Lächeln wollte noch immer nicht auf ihrem Gesicht
erscheinen.
Susannah
setzte sich an den einfachen Holztisch. „Ich komme mit guten Nachrichten, Anne!
Mein Vater kennt einen Werkzeugmacher in Bridgewater, der sucht eine Hilfe im
Haushalt. Was denkst du?”
Das
Mädchen sah sie einen Moment schweigend an, die Augen weit aufgerissen. „Ich
kann weg von hier? Weg vom Castle?”
„Ja!”
Susannah nickte. „Er ist ein netter Mann, ich habe ihn kennengelernt. Er wird dich
ganz bestimmt gut behandeln und du bist dort auf jeden Fall in Sicherheit.“
Anne
sprang auf und fiel ihr um den Hals.
Susannah lachte. „Ist schon gut, du erwürgst mich ja!“
Das Mädchen setzte sich wieder und rieb aufgeregt die Hände aneinander. Ihre
Wangen glühten.
„Kann
ich da bald hin? Und ich muss nie mehr zurück in diese fürchterliche Burg dort
oben?”
Bei
den letzten Worten hatten ihre Augen einen angstvollen Ausdruck angenommen.
Susannah
legte ihr beruhigend eine Hand auf den Arm. „Es ist alles in Ordnung. Er dort
oben wird dir nie mehr etwas tun.”
Anne strahlte. Zum ersten Mal seit Langem. „Ich bin so froh!“, rief sie. „So
schlimm kann eine andere Arbeit gar nicht sein. Hauptsache, ich laufe ihm nicht
mehr über den Weg. Oder seiner Mutter.”
„Du
kennst sie?” Susannah selbst hatte die Frau noch nie vorher gesehen, weder in
der Kirche, noch bei irgendwelchen Turnieren oder ähnlichen Großereignissen auf
dem Castle.
„Sie
ist mir unheimlich. Eine ganz seltsame Frau, lässt sich mit einem Stuhl durch
die Gänge schieben. Ich hatte immer eine Gänsehaut, wenn ich das Ding auf dem
Boden herumkratzen hörte. Aber mehr, weil die Frau so böse Augen hat.” Anne
schüttelte sich.
„Die
Lady zeigt sich aber nie in der Öffentlichkeit.”
Das
Mädchen nickte. „Sie lebt sehr
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