Nottingham Castle, letzte Tuer links
zur Burg
reiten konnte. Susannah versuchte erst gar nicht darüber nachzudenken, was dort
wohl vor sich ging, und lief lieber weiter geradeaus.
Als
sie mehrere Pferde im schnellen Galopp ankommen hörte, machte sie den Weg frei
und trat mit gesenktem Kopf seitlich in eine Wiese. Die Soldaten waren fast
schon an ihr vorbei, als ein großes schwarzes Pferd wiehernd zum Stehen
gebracht wurde.
Der Sheriff. Er zögerte nicht lange, sondern kam in die Wiese geritten. Dort
hielt er seinen Hengst neben ihr an, nahm den Fuß aus dem Steigbügel und befahl
in barschem Ton: „Steig auf!“
Ihr
blieb nichts anderes übrig, als den angebotenen Arm und den Steigbügel zu
gebrauchen und sich hinter ihm aufs Pferd zu schwingen. Kaum hatte sie Halt
suchend seine Schultern ergriffen, da galoppierte er an und schlug, umringt von
seinen Soldaten, den Weg zum Castle ein.
Was
wollte er von ihr? Er hatte sie doch weggeschickt und ihr befohlen, ihm nie
wieder unter die Augen zu kommen. Und nun packte er sie wie ein Stück Vieh und
verschleppte sie wieder einmal in seine Gemächer? Um ihm erneut zu Diensten zu
sein?
Oder
– ihr Atem stockte, als ihr dieser Gedanke in den Kopf schoss – wollte er sich
an ihr rächen? Sie eigenhändig auspeitschen als Rache, weil sie dies bei ihm
unternommen hatte? Oder sonstige grausame Dinge an ihr verrichten?
Hasste
er sie?
Susannah
hatte nicht die geringste Ahnung, was er mit ihr vorhatte, geschweige denn, wie
seine Stimmung im Moment aussah. Sie musste abwarten, bis der Tross im Burghof
angekommen war.
Doch
auch, nachdem Nottingham abgestiegen und Susannah vom Pferd gerutscht war,
blieb sein Vorhaben im Dunkeln. Er sah sie nicht an, sprach nicht mit ihr, gab
ihr nur per knapper Handbewegung Weisung, ihm zu folgen. Durch die
Eingangshalle, den langen Gang und am Ende hinein in seine Gemächer.
Auf
dem langen Holztisch waren Teller und Kelche angerichtet, Karaffen mit Wein und
Wasser standen darauf sowie eine große Schale mit Obst.
Er
zeigte ihr an, sich zu setzen, und tat es ihr gleich. Susannah saß auf der
Kante des Stuhls, jeden einzelnen Muskel angespannt.
Endlich
sah er sie an. „Dies ist mein letzter Abend auf Nottingham Castle und du wirst
ihn mit mir feiern.”
Überrascht
öffnete sie den Mund. Er wollte ihr also nichts Böses? Dass hier auf der Burg
schon seit Tagen hektische Vorbereitungen liefen für die große Reise, hatte
sich bereits im Dorf herumgesprochen.
„Dann
werdet Ihr also bald mit Sir John an der Tafel sitzen statt mit einer einfachen
Hebamme.”
„Du
sagst es.”
„Er
wird sich sicher dankbar erweisen, dass Ihr ihm den berüchtigten Robin Hood
ausliefert.”
Nottingham
schenkte erst sich und dann ihr vom Wein ein. „Locksley erwartet dort ein
Prozess. Er wird die gerechte Strafe für seine Untaten erhalten.”
„Und
die Leute aus dem Dorf?”, fragte sie. „Die Kinder und Frauen, Ihr habt sie
immer noch in Eurem Gewahrsam, Sire.”
Er
schüttelte leicht den Kopf und lächelte. „Die gute Susannah. Stets bemüht um
das Heil der anderen. Zerbrichst du dir immer dein hübsches Köpfchen um deiner
Mitmenschen Willen?”
„Ich
bin ein mitfühlender Mensch, wie Ihr wisst, Milord”, erwiderte sie vielsagend.
Seine
Stimmung war schwer einzuschätzen und konnten blitzartig umschlagen, aber
zumindest im Moment schien er recht entspannt zu sein. Und nicht darauf
erpicht, sie an irgendeinem Strick aufzuhängen.
„Das
bist du in der Tat.“ Er deutete eine Verbeugung an. „Und dafür sollst du heute
belohnt werden.”
Wollte
er ihr ein Silberstück in die Hand drücken als kleinen Ausgleich für ihre
Ergebenheit in seinem Bett?
„Alles,
was ich will, ist Freiheit für die Dörfler!”, brach aus ihr hervor.
Er
lachte auf. „Meine liebe, süße Susannah. In diesem Punkt sollst du deinen
Willen haben. Die Leute waren mein Faustpfand, sie werden selbstredend freigelassen,
sobald ich morgen auf meinem Pferd sitze.”
Susannah
atmete auf. Immerhin hielt er sich an sein Wort. Aber ansonsten – sie konnte
ihn nicht einschätzen. Er verschanzte sich hinter dieser Maske aus ironischer
Freundlichkeit. Welche wahren Gefühle sich dahinter verbargen, wusste sie nicht
und das machte sie in gehörigem Maße unruhig.
„Bevor
wir mit dem Essen beginnen, habe ich, wie eben gesagt, ein Geschenk für dich.
Du sollst doch einen vernünftigen Anblick bieten, denn du tafelst hier mit dem
zukünftigen Berater von König John.”
Er
stand auf und ging zu einem der breiten
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