Nottingham Castle, letzte Tuer links
bei einer Zusammenkunft aus der Ferne gesehen.
Eine blasse Erscheinung, mager, mit spitzer Nase und glanzlosen Augen. Wenn er
sie verglich mit Susannah – halt! Er wollte nicht an sie denken! Er hatte es
sich verboten und würde sich verdammt nochmal daran halten! Es musste doch
einfach möglich sein zu verhindern, dass sie ständig in seinem Kopf
herumspukte!
Entnervt
ging er zum Tisch und goss sich einen Kelch Wein ein, den er in einem Satz hinunterschüttete.
Hunger hatte er keinen. Neben der Karaffe lagen die Geschenke, die er seiner
Ehefrau überreichen würde. Kostbare Kleider, reich bestickte Umhänge, fein
gearbeiteter Schmuck. Das Beste aus der ganzen Grafschaft war hier
zusammengetragen worden und lag nun auf dem Tisch ausgebreitet, damit er die
schönsten Stücke auswählte. Seine Diener würde diese dann sorgsam verpacken und
in eine weitere Kiste legen.
Er
nahm ein Kleid zur Hand. Schwarzer Stoff, tiefer Ausschnitt, auf dem Brustteil
waren mit feinen Silberfäden kunstvolle Blumen eingestickt worden, die sich elegant
umeinander rankten. Es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, wie die fahle Marian
in diesem Gewand aussah. Aber Susannah, ihr würde es stehen, ihr glänzendes
Haar würde schmeichelnd über die schmalen Träger fallen, ihre Brüste würden
hier am Ausschnitt –
Verflucht!
Er warf das Kleid zurück auf den Tisch. Nahm seine Wanderung durchs Zimmer
wieder auf. Sie wollte nicht aus seinem Kopf verschwinden. Je mehr er es
anstrebte, um so tiefer nistete sie sich in all seinen Gedanken ein. Völlig
abartige Vorstellungen schwirrten durch seinen Kopf, es war kaum zu glauben.
Letzte
Nacht hatte er tatsächlich von ihr geträumt. Sie war vor ihm gestanden, hatte
ihre Arme nach ihm ausgestreckt und er war auf sie zugelaufen, das Herz
übersprudelnd vor Freude und Leichtigkeit. Alles war ganz schwerelos mit ihr.
Er musste ihr keinen mächtigen Herrscher vorspielen, sie verachtete ihn nicht
einmal, wenn er schwach wie ein erbärmliches Kind herumheulte oder dümmlich auf
eine Wand einprügelte. Sie hatte ihn nicht ausgelacht, sondern ihr Kleid
zerrissen und seine Hände verbunden. Und wissen wollen, wie es damals für ihn
gewesen war mit Cecelya.
Er
mochte, wie sie mit ihm redete. Frech manchmal, aber auch das gefiel ihm. Oder
wie ihre Augen blitzten, wenn er etwas sagte, was sie nicht billigte.
Er
mochte, dass sie offenbar erspüren konnte, wie er sich fühlte. Und ohne nachzudenken
ihre Hand an seine Wange legte, ihren Arm um seine Schulter. War das für alle
Menschen so einfach?
Er
kannte das nicht. Aber es war ein Geschenk.
Er
mochte ihren schlauen Kopf und dass er ihr Dinge nicht erklären musste. Sie
verstand von alleine. Mehr als die meisten seiner männlichen Gefolgsleute.
Eadric
stand wieder am großen Tisch. Dabei konnte er sich gar nicht erinnern, dort
hingeschritten zu sein.
Vorsichtig
nahm er ein Paar äußerst filigraner Ohrringe aus dem blauen Schächtelchen, in
das sie gebettet worden waren, und hielt sie gegen das Licht, das durchs
Fenster fiel. Winzige Saphire funkelten in den Sonnenstrahlen.
Er
wusste genau, wie Susannahs Haut roch, dort, an der Stelle hinter den
Ohrläppchen. Allein der Gedanke daran, ließ das Blut in seine Lenden schießen.
Er
wusste, wie sie schmeckte, denn er hatte sie schon geküsst, dort, wo der
Haaransatz endete und die feine Linie ihres Halses begann.
Und
verdammt nochmal, es fühlte sich so unsagbar gut an, ihren Körper zu spüren!
Er
schlug mit der Hand so fest auf die Tischplatte, dass der Schmuck in den
Kästchen klirrte. Zum Teufel, wieso sah er nicht endlich ein, dass sie nur ein
übles Spiel mit ihm getrieben hatte? Sie war genauso verlogen und durchtrieben
wie alle anderen Weiber, die ihm bisher untergekommen waren, seine
vermeintliche Mutter mit eingeschlossen. Susannah hatte doch nur dem Pakt entkommen
wollen und ihn zum Narren gehalten mit diesen abartigen Variationen eines
Liebesspiels, die sie ihm hatte zukommen lassen.
Sicher
hatte sie, kaum dass die Tür hinter ihr zugeschlagen war, lauthals aufgelacht
über diesen dummen Esel Nottingham, der sich so zum Bock machen ließ. Sein Brustkorb
zog sich zusammen und sein Magen schmerzte. Vielleicht sollte er aufhören, Wein
in sich hineinzuschütten. Er stellte den befüllten Kelch zurück auf den Tisch
und strich sich mit beiden Händen übers Gesicht.
Ein
wundervoller Traum war es gewesen, ganz kurz, als er sich eingeredet hatte,
dass sie Gefühle für ihn haben könnte. Dass er
Weitere Kostenlose Bücher