NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)
Bienek
Die
Unterhaltungs-Fuzzies
Die
Menschen in Vauesien lebten zu allen Zeiten in mehr oder weniger kleinen
Gruppen, die sie Komfas nannten. Die Komfas zählten in der Regel zwei bis
zwanzig Mitglieder, Lebensgemeinschaften von über zwanzig Personen waren ebenso
selten wie Singles. Roboter nahmen eine Sonderstellung ein: Zu jedem Haushalt
gehörte einer, mindestens einer. Ausnahmen bildeten lediglich die Robothasser
und einige Eigenbrötler in den Bergen. Doch die Mehrzahl der Komfas, die das
Zusammenleben mit ihren metallenen Hausgenossen gewohnt waren, konnte sich
überhaupt keine Alternative dazu vorstellen. Die Roboter erfüllten die
Aufgaben, die ihnen gemäß ihrer Programmierung möglich waren. Die meisten
Haushalte waren vollautomatisch organisiert. Das fing bei der sich selbst
reinigenden Küche an und hörte bei den sich selbst machenden Betten auf. So
blieben für die Blechmänner meist nur Butler- oder Gärtnerdienste zu tun.
Einen
großen Anteil am Familienleben in den Komfas hatten allerdings die
Unterhaltungsroboter, die sich außerordentlicher Beliebtheit erfreuten.
Logisch, es gab im völlig verkabelten Vauesien jede Menge Teleprogramme, aber
selbst 678 Kanäle reichten nicht aus, um die Unterhaltungslust der Vauesier zu
befriedigen. Deshalb hielten sie sich meist mehrere Unterhalter. Diese Art
Roboter nannte man "Fuzzies", in Gedenken an den großen Robot-Kasper
Fuzzy, der vor Jahrhunderten die Kinder mit seinen plumpen Späßen erfreut
hatte. Die simplen Fuzzies waren nur darauf programmiert, Witze zu erzählen,
die modifizierten hingegen waren in der Lage, Kunststücke vorzuführen und sich
sogar an geistreichen Unterhaltungen zu beteiligen, wobei sich ihr Part auf das
passende Zitieren von großen Dichtern und Denkern an den geeigneten Stellen des
Gesprächs beschränkte. Aber auch das konnte recht witzig sein. Viele Menschen
taten selbst nichts anderes und kamen sich dabei ganz geistreich und witzig
vor.
Eine
Folge hoher Technisierung bringt es wohl in jeder Kultur mit sich, dass sich
immer mehr Leute mit immer weniger beschäftigen. So ging es auch dem Chef der
Robot-Taxi-Betriebe Hurnzel. Hurnzel hatte eigentlich nichts weiter zu tun, als
die täglichen Kreditkarten-Buchungen aus seinen Taxis in seinen
Heimbankcomputer zu übertragen und sich über die Einnahmen zu freuen. Alles
andere erledigten die Robots, und selbst diesen Vorgang hätte er nicht selbst
erledigen müssen, aber wie sagte er so treffend: „Der Umgang mit
Kreditbuchungen hat so etwas Sinnliches.“
Seine
Frau merkte davon zwar nichts, aber davon soll auch hier nicht die Rede sein.
Hurnzel jedenfalls hielt sich gleich ein Dutzend Fuzzies, und er wurde nicht
müde, sich acht Stunden täglich von ihnen unterhalten zu lassen, während er
genüsslich und literweise Transpopowitsch, ein hochgeistiges Getränk (das
einzig Hochgeistige in Hurnzels Haus), schlürfte und kiloweise Macwürgolos
mampfte. Hurnzel war in seiner Stadt nicht sonderlich beliebt, galt er doch als
das Paradebeispiel eines üblen Unternehmers. Deshalb hatte er auch einen Fuzzy
darauf programmieren lassen, ihn ständig zu loben und zu bauchpinseln. Das war
nicht ganz einfach bei Hurnzels 3,50 Meter Bauchumfang, doch der Fuzzy hatte
dafür einen extra großen und breiten Spezialpinsel eingebaut bekommen, mit dem
er wie besessen pinselte, während ein zweiter Fuzzy Witze erzählte und ein dritter
Zauberkunststücke vorführte.
So
verging Tag um Tag in der Hurnzelschen Villa. Und wenn Hurnzels Frau und seine
beiden minderjährigen Söhne keine Ausreden hatten, mussten sie bei ihm sitzen,
Witze hören, Kunststücke ansehen und das Gepinsel genießen. Hurnzel hielt eben
viel von einem intakten Komfasleben.
Eines
hässlichen Tages geschah dann das Schreckliche: Die Herstellerfirma der
Unterhaltungsfuzzies entdeckte einen Fehler im System und ließ sämtliche
Modelle abholen, ohne Ersatz stellen zu können. Hurnzel traf fast der Schlag,
er sah sich seine Frau und seine Söhne an und stöhnte. „Was sollen wir jetzt
denn bloß tun? Was
können wir denn machen? Mir ist ja so langweilig. Ich glaube, ich muss
sterben.“
„Erzähl
uns doch mal was von deiner Arbeit“, forderte der jüngste Sohn.
„Ja,
Hurnzel, tu das doch“, bekräftigte Frau Hurnzel.
„Meine
Arbeit, meine Arbeit, ach ja, meine Arbeit. Da ist nicht viel zu erzählen. Ihr
wisst, dass ich das Taxigeschäft von meinem Vater geerbt habe, der es von
seinem Vater, der es
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