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NOVA Science Fiction Magazin 20

NOVA Science Fiction Magazin 20

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf G. Hilscher
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es wird leichter nach der
Rekonstruktion“, behauptet er mit seiner seltsam femininen Stimme.
    Es
ist die Sekunde, in der ich endgültig herausfinde, dass das eine Lüge ist. Ich
habe es Kathlyn angetan, und er hat es mir angetan. „Einen Scheißdreck wird
es“, presse ich hervor.
    Für
mich ist es gerade erst passiert.
    Noch
immer stehe ich vor den Trümmern. Hinter mir der brennende Konvoi, der Gestank,
die Schreie. Es ist ein Hinterhalt gewesen. Irgendwer hat sich mit einem
Raketenwerfer Wagen für Wagen vorgenommen. Aus einem oder mehreren der Häuser,
die noch vor fünf Minuten gestanden haben, wo jetzt nur noch schwarzer Rauch
aus Schutt aufsteigt.
    Meine
Uniform ist völlig durchnässt, aber es ist kein Wasser oder Treibstoff. Meine
Blase hat sich entleert, ich glaube, in der Sekunde, als ich den Auslöser betätigt
habe. Eine instinktive Reaktion auf die Bewegung hinter dem großen Holzzaun,
direkt neben dem Humvee. Die Metal-Storm auf dem Dach folgt den Bewegungen
meines Helms. Einfach nur ein Knopfdruck, um am Leben zu bleiben. 18.000
Projektile in zehn Sekunden. Jetzt stehe ich an der Stelle, wo der Zaun war. Er
ist verschwunden. Geblieben ist  nur ein Berg von Holzsplittern, der begraben
hat, was auch immer dahinter war. Kein Mann mit einem Raketenwerfer. Der
Geländewagen mit dem Schützen darauf ist vor Minuten in die andere Richtung
geflohen. An derselben Stelle steigt jetzt am Horizont Rauch auf. Sie haben
nicht daran gedacht, dass unsere Hubschrauber sie einholen können.
    Was
sich hinter dem Zaun bewegt hat, wird sich nie wieder bewegen.
    Vor
meinen Stiefeln liegt eine kleine Puppe. Die Projektile haben sie in zwei
Hälften gerissen.
    Trotzdem
scheint die kleine Hand daneben noch immer nach ihr zu greifen.
    Ich
übergebe mich auf den Teppich des Hotelzimmers.
    Ladyboy
schaut mir dabei zu. „Es wird Ihnen bald besser gehen.“
    Es
ist nicht ganz einfach, aber ich schaffe es, aus eigener Kraft aufzustehen.
„Ja, das glaube ich auch. Es wird mir bald besser gehen.“
    Als
ich auf ihn zustürze, weicht er mir geschickt aus – aber das ist genau das, was
ich will.
    Ich
kann noch immer vergessen. Es hat schon einmal funktioniert. Nur diesmal mache
ich es besser.
    Das
Glas des Fensters ist kein Hindernis. Es gibt nach wie eine Wasseroberfläche,
in die man eintaucht. Die Dunkelheit empfängt mich, umgibt mich. Es ist so
friedlich hier oben, 24 Stockwerke über dem Asphalt. Ladyboys Gesicht ist über
mir und sein ausgestreckter Arm, der ins Leere greift. Er wird schnell kleiner.
    So
angenehm kühl hier, so still.
    Es ist so …
     
     
    Copyright © 2012 by Thorsten
Küper
     

 

 
    A.
Danzig, 1. Dezember 2005: Kein Luftschiff aus Dresden
    E s
war ein klirrend kalter Wintertag, an dem die weit entfernten Luftschiffe so
deutlich zu sehen waren, als wären sie hinter der Silhouette des Krantores von
einem detailversessenen Kupferstecher in den Himmel graviert worden. Aaron
Chevalier von Hofstaetter nestelte tief in der rechten Tasche nach den
Stellrädchen der Jackenheizung. Das Ding brauchte zehn Minuten, um auf
Temperatur zu kommen. In dieser Zeit könnte er bei dem klirrend  kalten Wetter
schon Frostbeulen haben.
    Wo
blieb der Dresdner Zeppelin heute so lange? Die Reichslufthansa war längst
nicht mehr, was sie zu ihren Glanzzeiten dargestellt hatte. In diesem Punkt –
und nur in diesem – stimmte Aaron von Hofstaetter dem Spectateur zu,
wenn er auch in sonst jeder anderen Hinsicht mit dem Blatt konträr ging. Diese
neue Regierung in Berlin mit ihren possierlichen Ideen hatte nicht nur das
Kriegsministerium durcheinander gebracht, sondern obendrein die Reichslufthansa
heruntergewirtschaftet. Nun ja; im Grunde genommen war diese Regierung hier auf
dem Boden der Freien Hansestadt Danzig gar nicht zuständig.
    Als
hinten an der alten kaiserlichen Abfertigungshalle eine aufgeregte Menge
auftauchte, begann der Chevalier zu ahnen, dass irgendetwas schiefgegangen sein
musste.
    Er
zögerte kurz.
    Das
waren Menschen mit breiten Händen, ölverschmierten Arbeitshosen und dick
wattierten Jacken, in denen es bestimmt keine eingebauten Heizungen gab.
Niemand, mit dem sich ein von Hofstaetter abgeben mochte. Allerdings schien es
bei dem Aufruhr, von dem einzelne auf Deutsch und zahlreiche auf Polnisch
gerufene Sätze bis zu ihm drangen, um genau den Linienflug zu gehen, auf dem
auch er ein Billett hatte. Er hielt es in der Hand: Danzig–Dresden, 1. 12.
2005, 11 Uhr 42. Ein Donnerstag. Man erwartete ihn in

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