November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)
ich hätte mich rüber befördern lassen? Sag bloß ja.« Sie: »Reg dich nicht auf. Du bist ja da – und wir sind zufrieden.« »Na also. Man verdient und macht seine Geschäfte.«
Und er saß noch lange da bei seinem heimlichen Rotwein und erzählte ihr von der Räuberhöhle, und als er schlafen ging, krönte er seine Ausführungen mit dem Satz: »Von allen, die mir im Krieg bis jetzt begegnet sind, haben mir die am besten gefallen! Und du kannst von mir denken, was du willst, Frau: wenn ich jung wäre, und es wäre Krieg und ich könnte es schaffen – denn man kommt nicht leicht in den Wald zu den Leuten –, dann ging’ ich zu ihnen.« Und schlug auf den Tisch: »Jawohl.«
Diese Horden und Banden in Wäldern, zu denen noch die einzelnen in den Städten kamen, taten den Truppen bei ihrem Rückzug vielen Schaden an. Eine wilde Bewegung bemächtigte sich aller Versprengten, Deserteure, als der Waffenstillstand kam. Sie suchten zu plündern, viele, ihre Rache auszulassen. Viele suchten dabei auch und fanden, wenigstens auf deutscher Seite, die Möglichkeit, sich unter die bunt durcheinandergewürfelten Truppenreste zu mischen und wieder quasi legal zu werden, aus Räubern, Deserteuren, Versprengten.
Teure Heimat, sei gegrüßt
Die rheinischen Städte erwarteten die Rückkehrer und schmückten ihre Straßen, ihre Brücken. Väter, Brüder, Söhne kehrten zurück. Was noch lebte, was aus der Hölle zurückkam, wollte man feiern, und feiern, daß der Krieg zu Ende war.
Diejenigen, die von großen Kriegszeiten geträumt hatten und beängstigt herumgingen, freuten sich, daß ihr Stolz, marschierende Regimenter, Kanonen, Tanks, Mitrailleusen, schmetternde Musik mit Fahnen bald wieder die Straßen erfüllten. Es gab doch noch Freude, und nicht alles war verloren.
Andere erwarteten Hilfe für das Neue, das kommen mußte, denn man hatte keinen Staat mehr, alles schien zu flottieren, an manchen Tagen schien man in völliges Bandenwesen zu verfallen.
Andere erwarteten sie für den Umsturz, den kompletten Umsturz.
Man richtete in Köln hundert Schulen für die Aufnahme von Rückkehrern ein, an den Straßen wurden Verpflegungsstationen errichtet. Der Magistrat hatte sechshundert zuverlässige Leute als Bürgerwehr auf die Straße geschickt zur Verstärkung der Polizei. Die 6. Armee war von der belgischen Grenze her im Anmarsch.
Vor den Frontarmeen flutete die rückwärtige Truppe nach Süden, Osten und Norden. Was sorgfältig von Generalstäben aufgestellt, mit Vorbedacht im Rücken der Heere plaziert war, riß sich ab, rollte zurück und ließ den langsam marschierenden Heeren Platz.
Am 18.November erreichte die 5. Armee Trier, hunderttausend Soldaten rückten an, ihr General von der Marwitz an der Spitze. Der Jubel in der Stadt war ungeheuer. Tränen und Glück. Und es war doch noch nicht alles verloren. Die Arbeiter hielten sich zurück. Ein zorniger Befehl des Kommandanten kam heraus: Seine Soldaten haben tapfer dem Feinde die Stirn geboten, sie können verlangen, daß man ihnen den Weg durch die Heimat nicht erschwert. Er fordere daher bedingungslose Befolgung seiner Befehle und Anordnungen. »Gut!« sagten welche, die den Anschlag lasen, andere schwiegen, manche machten: hm, hm, und gingen weiter.
Unter die biwakierenden Soldaten, in den Schulen, in den Verpflegungsstellen drängten sich Menschen, die verschiedenes wollten. Da boten Krankenschwestern und Damen der Gesellschaft Kaffee, Bier und Würstchen an. Um die Gulaschkanonen der Soldaten auf offenem Platze drängten sich arme Frauen und viele Kinder, ältere Männer und bettelten um Brot und hielten Becher hin. Vor den Bahnhöfen suchten die Kommandanten die Bettler zu vertreiben.
Die Soldaten, die in der Stadt herumgingen und sich an der Sauberkeit und den schmucken Schaufenstern freuten, begegneten auch Kameraden, die schon lange zurück waren, Kriegsschüttlern mit wilden Arm- und Kopfbewegungen, sie bettelten, Offiziere entrüsteten sich: »Soll die alte Schweinerei wie nach 1870 mit den Leierkästen wieder anfangen?« Die Polizei prüfte die Papiere der Leute und verdrängte sie von der Straße; es wurde ihnen als unwürdig verwiesen zu betteln, man beschuldigte Radikale, sie aufzureizen. Es gab Lärm. Man schmuggelte Handzettel in die Schulen ein, darauf stand ein Funkspruch der russischen Räteregierung an die Arbeiter- und Soldatenräte: »Gebt die Waffen nicht aus der Hand! Laßt euch keine Wahlen aufschwatzen.«
Wer Lust hatte, sich an diesen
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