Novemberasche
Sommerkorn machte.
Wieder stand Sommerkorn in ein angeregtes Gespräch mit Helen vertieft, diesmal an der Bar, wo er gerade zwei Gläser Champagner
in Empfang nahm. Marie straffte die Schultern, atmete tief ein und wieder aus. Ganz so einfach werde ich es dir nicht machen,
dachte sie plötzlich grimmig und setzte ihren Weg fort.
»Das ist bestimmt für mich«, knurrte Marie und näherte sich Sommerkorn, wobei sie nicht versäumte, den Arm um seine Schulter
zu legen und ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Dann trat Marie zwischen die beiden, nahm Sommerkorn einen der beiden Champagnerkelche
ab und lächelte breit.
»Tiffy und ich haben festgestellt, dass wir
wahnsinnig
viele gemeinsame Bekannte haben.« Marie nahm einen großen Schluck, lächelte noch breiter und fügte dann hinzu: »In der Münchner
Kunstszene.«
Helens Lächeln war inzwischen nicht mehr ganz so strahlend, es wirkte ganz im Gegenteil etwas starr. Marie beschloss, ihren
Vorsprung in diesem Spiel noch etwas auszubauen, und führte Sommerkorn und Helen von Bild zu Bild und gab zusätzliche Erklärungen
zu der Technik ab, mit der Tiffy arbeitete. Sie schweifte ab und hielt einendetailreichen Vortrag über figürliche und abstrakte Kunst, der erst endete, als sie an der Garderobe angekommen waren, um
ihre Mäntel entgegenzunehmen. Während Sommerkorn Marie in ihren Mantel half, sah Marie, wie etwas in Helens Blick aufblitzte.
»Tja, dann wollen wir mal. Also vielen Dank für die Einladung. Es war … interessant.« Sommerkorn grinste.
Helen ließ erneut ihre perlengleichen Zähne sehen und sah Sommerkorn tief in die Augen. Was für ein herzzerreißender Anblick,
dachte Marie. Die zarte Schönheit, die zu ihrem Helden emporsehen muss.
»Ja, also …« Marie streckte Helen die Hand hin. »Vielen Dank. Dann habe ich nun einen Eindruck. Wird meine Ausstellung auch in diesen
Räumlichkeiten stattfinden?«
»Das werden Mutter und ich noch entscheiden. Die andere Alternative ist natürlich die Galerie unten in der Stadt. Bei Tiffys
Format und Popularität hätten wir da unten natürlich niemals alle Gäste untergebracht.« Dann wandte Helen sich erneut Sommerkorn
zu, lächelte verführerisch und sagte: »Wie gesagt, mein Angebot steht: In meinem Haus in Spoleto ist immer ein Zimmer frei.«
*
Um kurz nach neun am nächsten Morgen kam der Anruf vom LKA: Die Haare in Oberstudienrat Walsers Auto gehörten Leander Martìn,
und die Spuren auf der Zigarettenkippe vom Friedhof stimmten mit Walsers DNA überein. Um kurz nach zehn wurde Oberstudienrat
Walser von zwei Beamten der Polizeidirektion Friedrichshafen unter dem dringenden Tatverdacht des Mordes an dem Schüler Leander
Martìn festgenommen. Während der darauf folgenden zweistündigen Vernehmung leugnete der Verdächtige, stritt jede Schuld an
dem ihm zur Last gelegten Verbrechenab und blieb bei der Variante, die er bereits bei der früheren Einvernahme hatte verlauten lassen, eine ihm unbekannte Frau
habe ihn unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in den
Rosenhof
in Bregenz gelockt, wo er dann Leander Martìn begegnet sei. Auf die Frage, wie die Haare des Schülers in seinen Kofferraum
und eine Zigarette mit seiner DNA an den Fundort der Leiche gelangt seien, schwieg er zunächst. Später schrie er die Polizeibeamten
an, er sei das Opfer eines Komplotts, man wolle ihn als möglichen Nachfolger des amtierenden Direktors aus dem Weg räumen,
und man solle sich einmal bei gewissen Kollegen umhören. Auf den Einwand der Polizeibeamten, ob ein Mord zum Zwecke der Postenregulierung
nicht ein wenig krass sei, schwieg er erneut, um schließlich einen Nervenzusammenbruch zu erleiden, so dass ein Arzt herbeigerufen
werden musste, um dem hyperventilierenden Lehrer eine Beruhigungsspritze zu verabreichen.
»Der ist bald fällig.« Barbara hielt ein kleines Schaumgummiflugzeug mit der Aufschrift EADS in ihren Händen und knetete es
mit langsamen Bewegungen. Sie hob den Blick. Sommerkorn nahm ihr das Modell aus der Hand.
Martin Inkat nickte. »Ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der gesteht. Und die beiden Jungs haben nun auch alles zugegeben.«
Barbara griff erneut nach dem Flugzeug. »Schade nur, dass Walser mit dem Verschwinden des anderen Jungen nichts zu tun haben
kann. Ich war mir so sicher, dass diese beiden Fälle zusammenhängen.«
Inkat zuckte die Achseln. »Das war ich mir auch. Aber vielleicht ist Matthias einfach abgehauen.«
»Er war
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