Novemberrot
nur, dass sie nicht aufgepasste habe, im Schweinestall gestolpert und mit dem Gesicht auf das eiserne Gatter geschlagen sei. Na ja, so richtig habe ich ihr das damals jedenfalls nicht geglaubt. Mich hat Kreismüller nicht weiter beachtet. Und immer wenn es Streit zwischen mir und Manfred gab, hat er sich grundsätzlich auf dessen Seite gestellt. Nein, wenn Sie mich so fragen, ich weine ihm keine Träne nach!« Mit diesem Satz beendete Rosi ihre resolute Rede und blickte die Kriminalbeamten mit ihren stahlblauen Augen erwartungsvoll an .
» Hatte der Tote denn Feinde?«, hakte nun Weiler nach .
» Feinde? Heinrich konnte sich nach außen hin immer sehr gut verkaufen. Er gab sich großspurig als Gönner und Freund aller aus. Aber Feinde, die ihn umbringen würden, nein ich wüsste keinen … außer vielleicht …« Rosi stockte kurz bei ihrer Antwort .
» Er hatte ständig Ärger mit Werner Maier. Aber ich weiß nicht, ob der ihn umbringen würde«, beendete sie grübelnd ihre Ausführungen. Als Grund für den Streit gab sie anschließend noch zu Protokoll, dass es um das neue Industriegebiet ginge .
» Maier, der auch Landwirt ist, besitzt wie Kreismüller einige Felder, genau in dem dafür geplanten Bereich an der Landstraße nach St. Josef. Mein Stiefvater war grundsätzlich gegen dieses Vorhaben. Maier hatte zwar auch so seine Bedenken, aber so wie im Dorf erzählt wurde, sei er nahezu pleite und so auf das Geld aus dem Verkauf angewiesen. Nur ist die Lage der Felder so, dass der Eine nicht ohne den Anderen kann. Werner war oft hier bei uns, hat mit meiner Mutter gesprochen, dass sie Heinrich umstimmen sollte, aber genützt hatte dies nichts.«
Rosi legte eine kurze Pause ein, um dann weiter zu berichten: »Sie müssen wissen, ich helfe an einigen Tagen in der Wirtschaft beim Tohn aus und stehe hinter der Theke. Und vor gut vierzehn Tagen sind sich die beiden mächtig in die Haare gekommen. Na jedenfalls konnten die anderen Gäste die Streithähne nur mit Müh und Not voneinander trennen. Maier schrie beim Hinausgehen noch: ›Demnächst hilft dir keiner, dann bist du fällig Kreismüller!‹ Doch der lachte nur verächtlich und rief seinerseits ›noch einen schönen Gruß an die Frau Gemahlin‹ hinterher.« Nachdem sie den beiden Beamten die Anschrift von Maier gegeben hatte, verabschiedeten sie sich .
» Fürs Erste genügen uns die Informationen. Wir müssen jedoch auf jeden Fall mit Ihrer Mutter und Ihrem Stiefbruder sprechen. Sagen Sie den beiden, dass wir morgen Vormittag wiederkommen«, kündigte Weller beim Hinausgehen an. Rosi begleitete sie noch bis zum Fahrzeug. Die junge Frau hatte eine seltsame Faszination auf Fritz ausgestrahlt, sodass bei der Fahrt zu Maiers Anwesen seine Gedanken stärker um sie kreisten, als um die eigentliche Sache. Auf der einen Seite eiskalt angesichts des Todes ihres Stiefvaters, doch auf der anderen Seite der Blick ihrer leuchtenden Augen.
Aber Fritz riss sich zusammen und sagte zu sich: »Zum einen hab ich hier einen Mordfall zu klären und sie könnte verdächtig sein, und zum anderen bin ich verlobt und Karin zieht demnächst zu mir.«
Kapitel 5
Fritz fuhr mit seinem Passat durch den steinernen Torbogen. Augenscheinlich war hier in den letzten vierundzwanzig Jahren die Zeit stehen geblieben. Doch bei näherem Betrachten konnte man sich des Eindrucks nur schwer erwehren, dass das gesamte Gehöft ziemlich heruntergekommen war. So war die grüne Farbe von den hölzernen Fensterläden großflächig abgeplatzt und zahlreiche Lamellen waren herausgebrochen. Die Dachrinne, welche auf der Vorderseite des Haupthauses oberhalb des Eingangsbereiches angebracht war, hatte einige Löcher, sodass das Regenwasser unmittelbar vor die Haustür plätscherte. Und auch die Fenster der angrenzenden Stallungen waren nahezu alle zerbrochen .
» So trostlos«, murmelte Weller und stieg aus. Außer den Geräuschen des Regens war nur das leise Grunzen der wenigen verbliebenen Schweine zu vernehmen. Ganz im Gegensatz zum letzten Mal, als sie noch ein Wirrwarr aus Hühner-Gegacker, dem Muhen der Milchkühe und dem Quieken der gut 200 Mastschweine lautstark willkommen hieß. Er lief die paar Schritte zur Haustür und klopfte, da die elektrische Türklingel nicht funktionierte, mit seiner Faust kräftig dagegen. Nach wenigen Sekunden schaute eine Frau durch das Fenster im oberen Teil der Tür und öffnete sie. Vor ihm stand Rosi.
Ihr blondes, mit zahlreichen grauen Strähnen durchsetztes
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