Novemberrot
neben ihrer Tochter hergeritten war, wiedererkannt .
» Manfred, das ist der Polizist, der den Mord an deinem Vater aufklären will«, stellte sie Weller ihm fast ein wenig mitleidig vor .
» Dachte sie wohl, dass der Fall vermutlich nie aufgeklärt werden konnte? Gab es so etwas wie das perfekte Verbrechen?«
Diese Gedanken schossen Fritz aufgrund dieser eigenwilligen Vorstellung sofort in den Sinn. Rosis Stiefbruder, der gut einen halben Kopf größer war als Fritz und zudem von kräftigerer Gestalt, grüßte den Beamten zögerlich. Seine dunkelblonde Haarpracht war einer Bundeswehr typischen Einheitsfrisur gewichen.
Fritz schenkte ihm nur geringe Aufmerksamkeit, da Manfred im Rahmen seines Wehrdienstes in der Mordnacht nachweislich Wache in der Kaserne schob und somit ohnehin nicht zum Kreis der möglichen Täter zählte. Vielmehr beruhten seine Hoffnungen zur Auflösung des Falles auf den Aussagen der Ehefrau. Maria beabsichtigte gerade, Weller etwas zu sagen, als Katharina die Haustür öffnete und schallend rief: »Kommt rein, das Essen ist fertig!«
»Essen Sie mit uns mit, danach reden wir!«
Fritz wollte die Einladung eigentlich ablehnen, doch die Hausherrin wischte seinen Einwand mit einer Handbewegung einfach davon. Und obwohl Fritz erst vor zwei Stunden reichlich gefrühstückt hatte, fand er sich wenige Sekunden später bereits am gedeckten Mittagstisch sitzend, im Kreise der Familie wieder. Schnell hatte die Magd noch einen tiefen Teller mitsamt Gabel und Wasserglas dazugestellt. Mitten auf dem Tisch befand sich bereits ein Teller mit hausgemachter Leberwurst .
» Mmh, schon wieder Flönz, das scheint hier wohl eine Art Grundnahrungsmittel zu sein.«
Fritz überlegte krampfhaft, wie er sich ohne unhöflich zu erscheinen aus dieser Sache herauswinden konnte. Doch es fiel ihm auf die Schnelle keine annehmbare Lösung ein. Schließlich dachte er sich: »Na gut, manchmal muss man eben Opfer bringen, um sein Ziel zu erreichen.« Doch als der Stadtmensch dann registrierte, was da in den Teller kam und wie es von Katharina kredenzt wurde, überlegte er ernsthaft, seine eben getroffene Entscheidung zu revidieren. Denn die Magd tauchte einen Schaumlöffel in den großen, schwarz emaillierten Topf und mit viel Schwung klatsche sie einen gestampften, gelblichen Brei in die einzelnen Teller .
» Das ist mein Leibgericht und das gibt’s eigentlich auch nur samstags!«, frohlockte Rosi. Und zur Krönung schnitt sie ein Stück der Leberwurst ab, legte es in die seltsame Masse und zerdrückte es mit ihrer Gabel darin. Anschließend vermatschte sie alles virtuos durcheinander .
» Nennt sich Himmel und Erd’«, erklärte Manfred, der den verwunderten Gesichtsausdruck ihres Gastes erkannt hatte .
» Sieht komisch aus, schmeckt aber nicht schlecht. Es gibt sogar Leute, die würden dafür jedes Stück Fleisch liegen lassen«, fügte er noch kopfschüttelnd hinzu und deutete auf seine Stiefschwester, der die Mahlzeit bereits sichtlich mundete.
Katharina ging nun ins Detail: »Was sie da auf dem Teller haben, sind Kartoffeln und Äpfel. Wir nehmen immer Boskoop, die sind richtig schön sauer. Diese werden zusammen gekocht, das Wasser abgeschüttet und aufgefangen, gestampft, jetzt reckte sie den uralten Holzstampfer bedrohlich in die Höhe, und immer wieder etwas der aufgefangenen Brühe nachgeschüttet, bis es wie grobes Püree aussieht. Zu guter Letzt mit Pfeffer und Salz abgeschmeckt und geröstete Zwiebeln hinein. Dann mit Leberwurst verzehrt, fantastisch!«
»Sieht zwar aus wie schon mal da gewesen, schmeckt aber wirklich gut«, dachte sich Fritz, als er die ersten Bissen erfolgreich heruntergebracht hatte.
Nachdem er dann auch den üppigen Nachschlag verzehrt hatte, bat ihn Maria, ihr ins Büro zu folgen. Weller wuchtete abermals seinen vollen Bauch die Treppenstufen hoch in den ersten Stock. An den Wänden, gut sichtbar für alle Besucher, prangten Jagdtrophäen aus der heimischen Tierwelt.
Fritz hatte wenig übrig für die Jägerei im Allgemeinen und hasste die Zurschaustellung von präparierten Tierköpfen, ausgestopften Vögeln oder Hirschgeweihen im Besonderen. Doch wie sich beim Eintritt ins Büro herausstellte, waren die aufgehängten Exponate auf dem Weg dorthin sozusagen nur die Vorspeise.
Als Hauptgang wurde dem Betrachter ein monströser Wildschweinkopf inklusive eines protzigen 16-Enders serviert. Beide Stücke hingen an der Wand rechts neben dem Schreibtisch und konnten einfach nicht
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