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Novemberrot

Novemberrot

Titel: Novemberrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Theisen
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alt und meine Mutter kann das alles nicht alleine schaffen.«
    »Was ist mit ihrem Bruder?«
    »Manfred?? Der hat doch noch nie ein gesteigertes Interesse am Hof gezeigt. Der wird sich noch umschauen, jetzt wo der Alte tot ist und er nicht mehr seine schützende Hand über ihn hält!« Zynisch orakelte Rosi Manfreds bittere Zukunft und erklärte dann weiter: »Das ganze Vieh muss ständig versorgt und die Felder müssen bestellt werden. Aber vielleicht täusche ich mich ja auch in meinem Bruder und er packt nun mit an … wir werdens sehen.« Weller legte seine Hand auf den Rücken des Pferdes und fragte ergriffen: »Und was ist mit Ihnen?«
    »Das ist allein meine Sache. Ich helfe meiner Mutter so gut es geht!« Nach dieser harschen Antwort und ohne weiteren Kommentar von sich zu geben, vom Abschiedsgruß ganz zu schweigen, führte sie das Tier zurück in die Scheune und ließ Fritz einfach stehen.
    Die Dämmerung hielt bereits Einzug und Weller schoss es siedend heiß durch den Kopf, dass er sich noch den ach so harmlosen Justus zur Brust nehmen wollte. Äußerst vorsichtig kutschierte er seinen Prinz den holperigen Feldweg entlang bis zur Dorfstraße. Nun kurvte Fritz, der Beschreibung Pohlerts folgend, durch den Ort und fand sich wenige Augenblicke später vor Bermels Bauernhof ein.
    Für einen Moment verharrte er, das Lenkrad mit beiden Händen umfassend, im Wagen und grübelte: »Warum gab sie mir den Brief überhaupt? Sollte ich etwa annehmen, ein längst Totgeglaubter wäre urplötzlich aus dem Nichts wieder aufgetaucht und habe aus Rache diesen Mord begangen? Wie verzweifelt muss ich denn sein, dass ich bereit bin, diesen seltsamen Hinweis in meine Untersuchungen aufzunehmen?« Längst hatte Weller den Glauben an eine schnelle Aufklärung des Mordes verloren und klammerte reichlich desillusioniert einen jeden Strohhalm, den man ihm gnädiger Weise almosengleich reichte.
    Beim Betreten des Gehöftes wurde der Kommissar bereits von der Dame des Hauses in Empfang genommen. Vermutlich hatte sie jemand vorgewarnt. Die Frau begrüßte ihn im dorfüblichen Dialekt. Doch sobald Fritz einige Sätze in Hochdeutsch zu ihr gesprochen hatte, wandelte sich ihre Redeweise, genau wie bei den anderen Dörflern mit denen er zu tun hatte.
    Heraus kam ein für städtische Ohren befremdlich klingendes Gemisch aus Mundart, kombiniert mit hochdeutschen Begriffen. Die dabei entstandenen Wortschöpfungen entlockten Fritz oft ein Schmunzeln und er war häufig gezwungen noch einmal nachzufragen, da er es akustisch nicht verstanden habe.
    Die Einheimischen schauten ihn dann mit großen Augen an. Doch sie wiederholten ihre Aussagen bereitwillig, bis der Städter ihnen schließlich folgen konnte. Kreismüllers Familie bildete in dieser Beziehung eine absolute Ausnahme. Denn sowohl Rosi und Manfred, als auch deren Mutter sprachen nicht den dörflichen Dialekt, sondern verständigten sich in der Regel in allgemein verständlichem Deutsch .
    » Die Männer sind gerade beim Ausmisten des Kuhstalls.«
    Die Bäuerin wies dem Polizisten den Weg zum Ort des Geschehens. Ein beißender Gestank gepaart mit feuchtwarmer Luft quoll Fritz beim Durchschreiten der offenstehenden Stalltür entgegen. Widerwillig und bedacht flach atmend setzte er die ersten vorsichtigen Schritte hinein in den ungastlichen Mikrokosmos, doch vermied er es, tiefer in dieses Feuchtbiotop vorzudringen. Geschätzte 25 neonbeleuchtete, braun-weiß gescheckte Kühe, die nebeneinander in Reih und Glied stehend ihre Köpfe tief in die gut gefüllten Futtertröge gesteckt hatten, waren schnell als offensichtlicher Grund des Übels ausgemacht.
    Da Weller außer den Viechern niemanden entdecken konnte, hielt er inne und rief die Namen der Männer. Sein flehender Ruf war gerade verhalt, da schossen zwei Köpfe hinter den Kühen empor um zu erspähen, wer hier so lautstark nach ihnen verlangte.
    Fritz stellte sich in Kurzfassung vor und gab an, dass er mit Justus sprechen müsse. Der Größere antwortete, dass sie sowieso fertig seien und jetzt rauskommen würden. Er solle ruhig vor der Tür auf sie warten. Dieses Angebot nahm der Polizist selbstverständlich ohne zu zögern an. Kaum wieder im Freien, nahm er einige tiefe, befreiende Atemzüge.
    Er spürte, wie die kühle Novemberluft seine Lungen durchströmte. Kurz nach ihm folgten die beiden. Dabei schob jeder eine mit dampfenden Ausscheidungsprodukten der heimischen Milchviehwirtschaft gefüllte Schubkarre knarrend vor sich her.

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