Novemberrot
freute er sich sogar darüber, den Wirt der Dorfkneipe Zur Post wiederzusehen. Nur allzu gut wusste er noch, wie er von diesem bauernschlauen Filou, bei seinem letzten und einzigen Aufenthalt, als es ums Bezahlen ging, ordentlich über den Tisch gezogen wurde.
Dementsprechend vorsichtig, was die kostenfrei offerierten Gaben Pohlerts anbetraf, beabsichtigte Fritz Weller dieses Mal zu Werke zu gehen. Doch bevor er auf den eigentlichen Grund seines Besuches zu sprechen kam, verlangte Fritz vom Wirt zunächst einen doppelten Klaren .
» Den brauch ich jetzt!«
Er kippte den Schnaps in einem Zug hinunter. Das Zeug brannte wie Feuer in seinem lädierten Hals. Nachdem der Fusel seine Kehle hinunter geronnen war, zog er eine leidende Grimasse und kommentiere das Ganze mit einem seufzenden: »Aaaah, das war gut!«
Fritz war absolut kein Freund von dieser Art Hochprozentigem, doch der Klare zeigte sich als echte Wohltat, nachdem er vor wenigen Minuten diese haarsträubende Vision durchleiden musste .
» Ich bin hier, weil ich nur eine Sache von Ihnen wissen will. Wie lange arbeitete Rosis Tochter am letzten Sonntag?« Im Grunde genommen interessierte den Kommissar nichts anderes. Ihm war natürlich bewusst, dass Anton Pohlerts Antwort das Pendel, in Bezug zu Rosis Aussage zu deren Alibi, in die ein oder die andere Richtung ausschlagen ließe. Fritz fürchtete sich vor Tohns Worten, die Rosi mitsamt ihrer Tochter immer weiter in den Strudel der Verdächtigung ziehen würden. Doch sollten sich im Umkehrschluss ihre Worte bestätigen, so wäre ihre Unschuld nahezu wasserdicht besiegelt .
» Ja ja, die Sandra. Haben Sie das Mädel schon kennen gelernt?« In Tohns Verhalten erkannte Fritz, dass dem Wirt wohl brisante Informationen unter den Fingernägeln brannten, die nur zu gerne das Licht der Welt erblicken sollten. Der Polizist antwortete dem Kneipier, dass er anschließend noch zum Kreismüller-Hof fahren werde, Rosis Tochter bislang aber nur vom Hörensagen her kannte .
» Dann werden Sie sicherlich überrascht sein! Ich weiß es noch, als wenn es gestern gewesen wäre. Den alten Kreismüller haben wir ’67 im Dezember unter die Erde gebracht und im August des darauffolgenden Jahres kam die kleine Sandra zur Welt.« Tohn sinnierte kurz vor sich hin, als spulte er die Bilder aus dieser Zeit vor seinem geistigen Auge ab. Weller wurde neugierig und drängte ihn endlich zur Sache zu kommen .
» Sie können sich sicherlich vorstellen, was damals hier im Dorf los war. Ein vaterloser Balg, die Mutter alleinerziehend! Heute ist das ja gang und gäbe, aber Ende der Sechziger schlug die Geschichte hohe Wellen. Was wurde im Ort alles darüber spekuliert, wer denn der Vater sein könnte. Rosi machte wenig mit Jungs rum und einen festen Freund hatte sie zu der Zeit auch nicht. Aber ein Gerücht, besser gesagt zwei, hielten sich noch längere Zeit recht hartnäckig.«
»Ach ja, und die wären?«
Fritz konnte natürlich rechnen und rein vom zeitlichen Ablauf passte es zu dieser einen leidenschaftlichen Nacht an besagtem Wochenende im November 1967, die er mit Rosi verbracht hatte. Aber warum hatte sie ihm nicht auch nur ein Sterbenswörtchen von seiner Vaterschaft gesagt? Und wenn sich tatsächlich das eine Gerücht auf ihn beziehen sollte, wer war dann der andere mögliche Vater Sandras?
Tohn holte tief Luft und fuhr mit seinem Bericht fort: »Es wurde viel getuschelt in Mayberg und es war mit Sicherheit auch genug dummes Geschwätz darunter, aber viele behaupteten, dass Heinrich Kreismüller bei Rosi seine Finger im Spiel hatte. Ich habe zufälligerweise einmal ein Gespräch der beiden mitbekommen, dass sich beileibe nicht nach normaler Vater-Tochter-Beziehung angehört hatte. Na ja, sei’s drum, es kam jedenfalls nie raus, wer es nun war und Rosi hatte nie auch nur eine Silbe darüber verloren.«
»Was ist mit dem zweiten Gerücht?« Fritz zeigte sich schockiert von dieser Spekulation. Doch insgeheim ahnte er, was nun kommen würde .
» Es gab da mal einen jungen Polizisten, der hier übernachtete … Mensch Weller, ihr wart so laut, man hatte euch im ganzen Haus gehört. Meine Söhne konnten sich am nächsten Morgen ihr Grinsen und ihre Sprüche am Frühstückstisch kaum verkneifen!«
Nun hatte der Wirt die Katze aus dem Sack gelassen. Die Vergangenheit schien Fritz Weller endgültig eingeholt zu haben. Für wenige Augenblicke standen sich die Männer sprachlos gegenüber. Der knorrige Alte an der Theke hing den beiden
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