Novemberrot
während des Gesprächs regelrecht an den Lippen und registrierte begehrlich jedes Wort von ihnen. Pohlert kam um die Theke herum und trat dicht an Fritz heran. Der Atem des alten Gastwirts roch nach Bier mit Zwiebelmett.
Selbst Wellers verstopfte Nase konnte nicht verhindern, dass dieser liebreizende Duftmix seinen Geruchssinn auf eine harte Bewährungsprobe stellte. Tohn flüsterte: »Am letzten Sonntag war abends nicht viel los. Die Kegler sind kurz vor 21 Uhr weg. Als ich eine halbe Stunde später abgesperrt habe, war Sandra bereits nach Hause. Aber sie bringt doch nicht ihren eigenen Onkel um!« Als Kommissar Weller diese Uhrzeit hörte, schoss ihm direkt zwei Stunden durch den Kopf .
» Zwei Stunden, in denen Rosi angeblich mit Sandra alleine zu Hause gewesen war. Warum nur war am Sonntag nicht Hochbetrieb in der Kneipe, der Sandra bis 23 Uhr und darüber hinaus beschäftigt hatte. Musste denn ausgerechnet an diesem letzten Sonntag schon so früh Feierabend sein? Sollte es denn tatsächlich auf eine der beiden Frauen hinauslaufen? Machten sie am Ende gemeinsame Sache?«
Aber noch bestand ja Hoffnung. Denn die Fingerabdrücke auf der Mordwaffe lagen noch nicht vor und was Krauses Alibi anbetraf, war schließlich auch noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Tohn fand rasch in seinem Erzählmodus zur gewohnten Lautstärke zurück. Mit ausladenden Gesten berichtete er nun unter anderem von Werner Maier und dessen rasantem Aufstieg. Denn während dieser von Jahr zu Jahr wohlhabender wurde, ging es mit Kreismüllers einst blühendem Besitz in gleichem Maße den Segbach runter, wenn er das mal so salopp sagen durfte. Und das, wo der Maier doch damals zu gut wie pleite war. Nach Heinrichs Tod lag die Entscheidungsgewalt nun alleine bei Manfred. Der habe Zug um Zug anschließend alle Felder verkauft. Nach Minuten lethargischen Schweigens und Zuhörens fand Weller nun seine Sprache wieder .
» Ein Zeuge erzählte mir gestern, dass Manfred bei der letzten Kirmes mit dem Motorradhändler wegen dessen Frau aneinandergeraten sei. Steckt hinter dieser harmlosen Kirmesschlägerei vielleicht noch mehr dahinter?« Fritz hatte sich wieder an Marek Ceplaks Aussage von gestern Morgen erinnert und konfrontierte den alten Wirt nun damit. Ein verschmitztes Grinsen durchzog Tohns Gesicht: »Eigentlich wissen das alle im Dorf, dass der Manfred was mit Frau Krause am Laufen hatte .
» Mit der Biker-Braut!«, warf Weller lauthals ein .
» Ja genau, ich sehe Sie lesen auch die Zeitung«, schmunzelte Tohn und legte nach: »Der Manfred wollte möglichst unauffällig zu Werke gehen und parkte seinen Wagen mal hier, mal da.«
»Ach ja, zufälligerweise auch am Reinigungsschacht hinter den Bahngleisen?«, fuhr der Kommissar dem Wirt aufgeregt in dessen Parade. Überrascht von diesem Einwurf, bestätigte er Wellers Frage .
» Nur der gute Krause selbst wollte es nicht wahrhaben, oder er hatte es nicht mitbekommen.«
»Was? Dieses Techtelmechtel soll ihm niemand aus dem Dorf gesteckt haben?« Fritz sah den Wirt ungläubig an .
» Der Krause ist nicht sonderlich beliebt im Ort. Ich nehme an, die Leute habens ihm gegönnt.«
»Nicht beliebt? Warum das?« Weller hakte energisch nach .
» Weil der alte Geizkragen jeden Pfennig dreimal umdreht. Im Dorf nennt man einen wie ihn ein Freibiergesicht. Der sich gerne auf Kosten anderer die Hucke zu säuft. Aber wenn er mit seiner Runde an die Reihe kommt, ist er wie vom Erdboden verschluckt. Krause raucht auch Zigaretten. Aber nur die holländische Marke van Anderen, die schmecken ihm besonders gut!« Tohn lachte sich bei seiner Erzählung halb tot. Und seine hübsche Frau Inge hatte sich nun eben mit Manfred vergnügt. Anscheinend ist Krause mit seinen Zuwendungen ihr gegenüber ähnlich geizig gewesen und Manfred war da sozusagen als Lückenfüller in die Bresche gesprungen, wenn sie verstehen was ich meine!«
»Ist schon klar«, Weller nickte bloß. In normaler Tagesform hätte er diesen Umstand selbstverständlich mit einem Lächeln quittiert, aber nicht heute und nicht jetzt. Fritz hatte sich bereits von Tohn verabschiedet und war auf dem Weg zur Ausgangstür. Aber noch immer ließ ihn der Wirt nicht aus seinen Fängen .
» Einen Moment noch!«, rief er dem Polizisten nach. Pohlert bemerkte bereits nach den ersten Sekunden ihres Wiedersehens, dass der Kommissar stark erkältet war. Zum Abschied kam er daher mit einem alten Hausrezept zur Linderung dessen offensichtlichen Leidens um die
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