Novizin der Liebe
versuchte, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu ziehen. Sie hatte keine Angst. Keine Angst.
Sie war die einzige Frau im Saal. Hatten sie all die anderen umgebracht? Ihr wurde ganz übel bei dem Gedanken und sie verbarg das Gesicht in den Händen.
„Sei nicht traurig, Liebchen“, sagte eine fremde Stimme. Falsches Mitgefühl schwang darin mit und noch etwas anderes – etwas Dunkles, Unbekanntes, das Cecily erzittern und ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sie weigerte sich, den Kopf zu heben. „Komm her, Liebchen. Ich werde dich wärmen.“
Verstohlen lugte sie zwischen den Fingern hindurch. Zwei normannische Ritter, die sich am Feuer aufgewärmt hatten, zwinkerten und gestikulierten in ihre Richtung. Cecily blieb kerzengerade sitzen. Sie würden ihr nichts tun. Sie war mit einem aus ihren Reihen verlobt, also war sie in Sicherheit, oder nicht? Doch wo waren Sir Adams Männer? Kein Einziger von ihnen war in Sicht …
„Liebchen …“
Einer der Ritter erhob sich. Cecily schloss die Augen. Ihr war übel, wahrhaftig übel. Jener Unterton in der Stimme des Mannes ließ Visionen von Gewalt, von Schändung vor ihrem geistigen Auge aufsteigen. Wenn er sie anrührte, würde sie sich übergeben. Sie …
„Mylady?“
Adams Knappe, Maurice Espinay, stand neben ihr. Cecily wäre vor Erleichterung beinahe in sich zusammengesackt. Höflich bot er ihr den Arm an und geleitete sie zu einer Bank am anderen Ende des Saals. Andere aus Adams Trupp hatten dort ihr Lager aufgeschlagen, bemerkte Cecily, denn Männer, die sie erkannte, spielten auf einer umgedrehten Kiste Würfel. Krieger aus einem fremden Land, gewiss, doch Krieger, die Sir Adams Befehl unterstanden. Ihre Anspannung ebbte weiter ab.
Nach einer abermaligen Verbeugung wandte Maurice sich um und ging zu den normannischen Rittern am Feuer zurück. Cecily konnte nicht verstehen, was er zu ihnen sagte, doch es erwies sich als wirkungsvoll, denn danach hüteten sie sich, auch nur in ihre Richtung zu schauen.
Maurice kam mit ihrem Bündel zu ihr zurück und ließ es zu ihren Füßen fallen. Er blieb in der Nähe und durchstöberte eine Satteltasche, die Sir Adam gehören musste. Offenbar hatte sein Herr ihm aufgetragen, sie, Cecily, nicht aus den Augen zu lassen, ob aus Sorge um ihre Sicherheit oder aus Misstrauen konnte sie nicht sagen. Was auch immer seine Gründe sein mochten, sie war dankbar dafür. Fast ohne Vorwarnung aus dem Kloster geholt worden zu sein, war schwer genug. Sie besaß keine Erfahrung darin, fremde Ritter abzuwehren.
„Sir Adam lässt Euch ausrichten, dass er seine Pläne geändert hat“, sagte Maurice. „Wir werden nicht vor morgen nach Fulford aufbrechen, frühestens.“
„Oh?“ Sie war nicht sicher, ob sie erleichtert oder bestürzt sein sollte. Einerseits bedeutete dies, dass ihre Vermählung mit Adam Wymark verzögert würde, andererseits ging so noch ein weiterer Tag ins Land, ehe sie endlich ihren kleinen Bruder sehen konnte. Zum Glück erfüllte sie der neue Herr von Fulford nicht mit Abscheu, so wie diese anderen Ritter. Wie seltsam. Adam Wymark war mit den Normannen gekommen, und dennoch empfand sie weder Abneigung noch Furcht vor ihm. Er war nicht wie jene anderen. Wie sonderbar.
Maurice war eifrig damit beschäftigt, Bettzeug von einem Haufen am anderen Ende des Saals herbeizuschaffen. Immer neue Krieger marschierten herein. Normannen, Bretonen … Eindringlinge.
„Maurice, wo werde ich schlafen?“
Es war zutiefst verstörend, sich unter den gegebenen Umständen im Palast der Könige aufzuhalten, denn hier wurde man auf Schritt und Tritt daran erinnert, wie sehr sich das Leben geändert hatte. An der Kathedrale, in jenen kurzen Augenblicken, die sie allein mit Adam gewesen war, als sie sich geküsst hatten, war es ihr gelungen, all das zu vergessen. Adam schien dort ein anderer Mensch gewesen zu sein – gut aussehend, freundlich und zugänglich , jemand, der ihre Gefühle zur Kenntnis nahm und aufrichtiges Interesse an ihr zeigte.
An der Kathedrale hatte es den Anschein gehabt, als sei ein kleines Wunder geschehen und alles würde doch noch ein gutes Ende nehmen. Doch in dem Augenblick, da sie über die Schwelle des Palastes getreten waren, hatte Adams Verhalten sich geändert. Ein kurzer Wortwechsel mit seinem Hauptmann, und sein Lächeln war erloschen. Er hatte ihr über das Feuer hinweg einen finsteren Blick zugeworfen, einen zutiefst finsteren Blick.
Waren die militärischen Angelegenheiten so
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