Novizin der Liebe
handeln müssen, damit er ihr nicht auf die Schliche kam. Wenn sie ihre Ziele erreichen wollte, durfte sie nicht riskieren, dass er sie fortschickte.
„Was ist mit Gwenn geschehen?“, fragte sie und bereute es sogleich, denn Adams Gesichtsausdruck verdüsterte sich.
„Ich möchte nicht über sie sprechen.“
Adam rückte von ihr ab und schlug die Decken zurück. Mit den Augen verfolgte Cecily, wie er aufstand, sich reckte und mit den Fingern durch sein dunkles Haar fuhr. Dann griff er nach seinem Mantel und ging ohne sich noch einmal umzublicken dem Morgenlicht entgegen, das unter dem Hauptportal hindurch in den Saal fiel. Es ist, als hätten wir nie die Nacht in inniger Umarmung verbracht, hätten einander nie geküsst, wären nie übereingekommen zu heiraten, dachte Cecily, und der Gedanke versetzte ihr einen schmerzlichen Stich.
Adam Wymark, mein Verlobter. Ein bretonischer Ritter, ein Gefolgsmann des Herzogs. Einst war er mit einer Frau namens Gwenn verheiratet, über die er nicht sprechen will. Was wird er tun, wenn er von den Geheimnissen erfährt, die ich vor ihm zu verbergen suche? Wird er mich jemals lieben? Und warum, dachte Cecily und verzog das Gesicht, sollte mich das überhaupt kümmern?
Das Frühmahl wurde im Saal des alten Königspalastes eingenommen. Dünnbier, warmes Brot und ein sahniger weißer Käse, der – welch unerhörter Luxus! – keinerlei Anzeichen von Schimmel aufwies.
Nachdem sie sich gestärkt hatte, hob Cecily den blauen, pelzgefütterten Mantel auf und legte ihn über ihren Arm. Sie hatte Adam nicht gesehen, seit er in der Frühe fortgegangen war.
„Maurice?“
„Mylady?“ Der Knappe hockte im Schneidersitz auf dem Boden und war eifrig damit beschäftigt, die Nähte einer Satteltasche auszubessern.
„Wo ist Sir Adam?“
„Er ist … irgendwo in der Stadt, im Dienste des Herzogs.“
Cecily nestelte am Gürtel ihres Habits. „Hat er gesagt, wann er zurück sein wird?“ Frühestens in ein paar Stunden, hoffte sie.
„Nein, Mylady.“
„Ich gehe zur Kathedrale. Richte ihm das bitte aus, wenn er nach mir fragen sollte.“
Maurice blickte auf. „Weiter werdet Ihr nicht gehen, Mylady?“
„Nein … nein.“ Lügnerin. Lügnerin.
Maurice schaute ihr in die Augen und widmete sich dann, offenbar zufrieden mit dem Gesehenen, abermals seiner Näharbeit.
„Gut, denn Sir Adam würde mich aufknüpfen, wenn Euch irgendetwas zustoßen sollte.“
„Oh! Ja. Ich … ich werde nur in die Kirche gehen. Zum Beten.“
„Sehr gut, Mylady.“
Mit einer schwungvollen Geste legte Cecily sich den Mantel um die Schultern und eilte hinaus auf den Palasthof. Hoffentlich hatte Maurice ihr geglaubt! Und hoffentlich hatte er nicht Anweisung, ihr zu folgen!
Verstohlen sah sie sich um. Von Maurice keine Spur, dem Himmel sei Dank! Sie beschleunigte ihre Schritte. In Windeseile hatte sie den Palasthof überquert und war zum Tor hinausgeschlüpft.
Wo Adam sich heute Morgen aufhielt, war also ein Geheimnis. Sei’s drum! Cecily verspürte nicht den Wunsch, ihn zu sehen, denn sie musste sich um eigene Angelegenheiten kümmern.
Um Familienangelegenheiten – sächsische Angelegenheiten –, und das würde er ganz gewiss nicht gutheißen.
9. Kapitel
Cecily nahm das Eingangsportal des Neuen Münsters durch einen Schleier von Tränen wahr, die ihr beim Gedanken an den Tod ihres Vaters, ihres Bruders und ihrer Mutter in die Augen gestiegen waren. Sie blinzelte heftig, warf einen verstohlenen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass Adams Knappe sie nicht verfolgt hatte, und stahl sich dann mit einigen raschen Schritten seitwärts davon, statt einer Schar Pilger in das dunkle Innere der Kirche zu folgen.
So weit, so gut.
Emma und Judhael mussten in die Golde Street gegangen sein, und wenn sie noch dort waren, musste sie unbedingt mit ihnen sprechen. Ebenso wichtig war es jedoch, dass sie auf ihrem Weg dorthin weder von Adam noch von einem seiner Männer gesehen wurde …
Bei ihrem letzten Aufenthalt in Winchester war Cecily noch ein Kind gewesen, und sie war sich nicht sicher, ob sie sich noch zurechtfinden würde. Soweit sie sich erinnerte, lag die Golde Street, in der Judhaels Schwester Evie mit ihrem Mann lebte, im westlichen Teil der Stadt, am Fuße der Stadtmauer. Von der Market Street würde sie den Hügel hinauf bis zum Westtor laufen.
Die Kapuze von Adams Mantel tief ins Gesicht gezogen, tauchte Cecily ins schattige Halbdunkel zwischen den beiden Kathedralen ein
Weitere Kostenlose Bücher