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Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Titel: Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damian Raye
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eingekesselt war, wählte sie die einzige Fluchtmöglichkeit und wachte auf.
     
    Ihre Eltern begriffen nicht, was mit Anne geschah, konnten es nicht begreifen. Wie auch hätte es überhaupt jemand anderes begreifen können? Sie fragten immer wieder nach, erhielten immer wieder die gleiche Antwort: Sie brauche niemanden, sagte sie. Anne wollte nicht darüber reden.
     
    Nur Alan war ihr jederzeit willkommen. Er konnte stundenlang neben ihr sitzen und schweigen. Er wusste, dass er mit Worten nicht helfen konnte, wobei er schon half, indem er einfach da war. Oft sah er sie nur an und versuchte, in ihrem Gesicht zu lesen. Hin und wieder stieß er auf tiefe Traurigkeit, dann aber auch auf ein kurzes, böses Lachen. Puck wechselte in diesen Tagen manchmal die Seiten. Oft lag er in Alans großen ruhigen Händen statt auf Annes Schoß. Sie bemerkte es kaum.
     
    Silly hatte ihre eigenen Sorgen. Ihre Beziehung zu Peter war wohl doch noch nicht zu Ende, er hatte ihr gegenüber die Gerüchte um seine Prahlerei als Intrige von Millie Mason entlarvt. Andererseits hatte es Peter nach diesem wilden Sommer wohl vorgezogen, in seine alte, ruhige Umgebung zurückzukehren, denn eigentlich war er ein Mensch, der viel Zeit für sich selbst und seine Gedanken brauchte. So stellte er es zumindest Silly gegenüber dar. Rund um Silly herrschte wohl zu viel Aufruhr für ihn, aber andererseits vermisste sie, trotz all seiner Schwächen und Schrulligkeiten, seine Nähe.
     
    Immer wieder träumte Anne in diesen Tagen denselben Traum: Nox hatte gesiegt, die letzten Aufständischen gefangen genommen und in die feuchten und finsteren Kerker von Nethernox geworfen, aus denen niemand entkommen konnte, hatte damit den letzten Widerstand in ihrem Reich gebrochen. Ihre Truppen hatten sogar die tapferen Krieger im Grenzgebiet, dort wo ihre Einflusssphäre an das Nihilum grenzte, besiegt und geknechtet. Sie hatte dort die Sonne vom Himmel verbannt, ihr eigener schwarzer Stern Lux Noctis war an seine Stelle getreten und verströmte die maßlose Dunkelheit ihrer uneingeschränkten Macht. Sie hatte ihren Untertanen in ihrer Gegenwart den aufrechten Gang verboten, zwang sie, vor ihr zu kriechen, und so war sie ständig umringt von wimmernden, sich auf dem Boden krümmenden Sklaven, die sie um ein wenig Licht und ein wenig Nahrung anflehten. Weil sie sich durch den Klang ihrer Stimmen gestört fühlte, richtete sie immer häufiger ihren furchtbaren Bann des Schweigens gegen ihre hilflosen Opfer:
     
    Tacere vermis!
     
    Schweige, Wurm! Stille, Leere, Finsternis – die ewige Nacht hat gesiegt. Stille, Leere, Finsternis – sie waren es, die Annes Seele umklammert hielten, zu ersticken drohten.
     

VII
     
5. September 2010
    An diesem Wochenende hatte Alan keine Zeit für sie – Anne spürte, dass ihr dieser Umstand ganz und gar nicht gefiel. Wie konnte sie jetzt, so wie sie sich fühlte, ganz ohne ihn sein? Er wolle nach London fahren, einem Freund beim Umzug helfen, hatte er gesagt, aber Anne war ihm auf dem Rad nachhause gefolgt und hatte ihn beobachtet. Er war nicht einfach auf seinen Roller gestiegen und losgefahren, sondern hatte zuerst einen dunklen Anzug angezogen, den sie noch nie an ihm gesehen hatte, dazu blank geputzte Schuhe. Er sah gut aus in diesen Kleidern, aber Anne konnte keine Freude daran finden. Wer zieht einen dunklen Anzug an, um beim Umzug zu helfen?
     
    Nox Eterna stand in dieser Nacht an einer Wegkreuzung an der Grenze ihres Reiches, Kilometer von Burg Nethernox entfernt. Sie war hierher gekommen, um einen Einsatz ihrer Garde zu beaufsichtigen. Fremde drohten sich in ihr Reich zu schleichen, skrupellose Agenten und Spione, mit keiner anderen Absicht als der, sie um ihre Macht zu bringen. Sie wollten verborgen in den Wagen reisen, in denen Wein und alle erdenklichen Luxusgüter für Nox, aber auch Brot, Wasser und andere Lebensmittel für die Bewohner der Burg herbeigebracht wurden. In jedem Wagen konnten sie verborgen sein, ob nun im Abteil einer Kutsche oder unter der Ladung eines Lastwagens.
     
    Die Garde der Verdammnis machte kurzen Prozess. Schwere Lanzen, jede geführt von den Fäusten eines hasserfüllten Schergen, durchstachen die hölzernen Wände eines Landauers, zerfetzten die Plane über Krügen mit Bier und Kisten voller Gemüse. Pferde scheuten und wieherten, die Kinder der Reisenden weinten, Männer protestierten und Frauen klagten, und schließlich übertönte ein Schrei die ohnehin lauten Geräusche. Ein junger

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