Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter
Verbindungen, plante weiter nächtliche Schlachtzüge gegen ihre Feinde, die sie aber nicht realisierte. Auch verschoben sich ihre Wahrnehmungen – ihre Träume in Nethernox wurden immer wichtiger, sie erwartete immer weniger von ihrem Leben am hellen Tag.
War es vielleicht möglich, sich im Traum von ihrer Verwünschungen zu befreien? Die träumende Anne dachte daran, in einem großen magischen Kraftakt, in einem Aufstand gegen die Herrscherin der Finsternis, neue Freiheit zu gewinnen. So suchte sie nach Verbündeten in Nethernox, reiste in die Glühenden Berge und wanderte dort zur Gipfelterrasse, auf der einst der Tempel der Elemente gestanden hatte. Alle Verbannten hatten sich dort versammelt, scharten sich um die Vier Ältesten der Elemente. Auch die Adepten des Lichts und der Hohepriester der Zeiten waren anwesend, allesamt von Nox vertrieben, weil sie ihr widersprochen und so ihre Macht infrage gestellt hatten. Was war mit den Besten von Nethernox geschehen? Aus blühenden Frauen hatte der Hunger frühe Greisinnen gemacht, denn Nahrung fand sich hier im kahlen Gebirge nur wenig. Aus den aufrechten Anführern waren schwächliche Alte mit trüben Augen geworden, viele von ihnen von Terox Enna, dem Stab der Bestrafung, geblendet oder in ihrer Gesundheit vernichtet. Anne lauschte ihren Gesprächen, bevor sie sich zu erkennen gab. Sie sprachen darüber, ob es möglich sei, die Gewaltherrscherin zu stürzen, ja, sie, wenn möglich, zu töten. Sie verfassten Zauberformeln und Giftrezepte, schliffen mit ihren zittrigen Händen scharfe Waffen, die sie mit ihren schwachen Armen nicht gegen Nox würden führen können. Sie planten Hinterhalte und überlegten sich geniale Fallen. In ihrem vorweggenommenen, fast kindlichen Siegesrausch bemerkten sie nicht, in welcher Gefahr sie schwebten.
Zunächst fiel es nur Anne auf, die ihren Gesprächen und Handlungen aus einiger Entfernung folgte, dass hinter jeder stehen gebliebenen Säule der Gebäuderuinen, hinter jedem Busch ein Spion der Schwarzen Garde lauerte, seltsame Sekretäre der Unterdrückung mit übergroßen Brillen, die hektisch jedes Wort notierten, das gegen die Magierin gesprochen wurde, Blatt um Blatt mit Zeugnissen der Auflehnung füllten, festhielten für ein Gericht, das sicher vernichtende Urteile sprechen würde.
Anne versuchte sie zu warnen, wollte rufen: „Schweigt! Sie richten jedes eurer Worte als Waffe gegen euch selbst!“ – aber ihre Stimme versagte, kein verständlicher Laut kam aus ihrer Kehle.
Die Stille, diese mörderische Stille! Sie sprang aus ihrer Deckung hervor, mitten zwischen die Aufständischen, eine Horde wehrloser Greise, hilflos, machtlos, ohne jede Chance gegen eine übermächtige Gegnerin. Dann endlich, als sie mitten unter ihnen stand, konnte sie reden, zuerst Worte ohne Sinn stammeln, doch offenbar herrschten hier zwischen den ehemals Mächtigsten von Nethernox anderer Gesetze, die Stille schien besiegt. Schließlich ordneten sich ihre Gedanken.
„Wir alle sind verloren, wenn wir nicht …“ Ihre Worte erreichten die eigenen Ohren nicht. Sie hatte Träume erlebt, in denen ein wundervolles Essen nach nichts schmeckte, in denen es keine Düfte und Gerüche gab, aber warum hörte sie sich nicht mehr? Sie hasste es, wenn das Geschehen in ihren Träumen unvollständig und unverständlich blieb.
„Ist das nicht die Fee der reinen Gedanken?“ hörte Anne die Priesterin des Wassers sagen. Ausgerechnet sie, Anne Oxter, reine Gedanken, und auch noch eine Fee sollte sie sein …
Die alte Priesterin wischte sich mit der Hand über die Augen, wie um klarer zu sehen.
„Ja, ich glaube sie ist es!“
Auch die anderen blickten jetzt angestrengt in ihre Richtung. In der Stimme der Feuerpriesterin klang Freude mit.
„Sie ist es, die uns befreien wird!“
„Aber sie wird ein großes Opfer bringen müssen“, sagte der Erdpriester, „so steht es geschrieben!“
„Hebt sie dort auf den Sockel, damit sie jeder sehen kann!“ forderte der Priester der Luft. Viele Arme griffen nach Anne, aber in diesem Augenblick stürzten die Spione auf die Gruppe zu, in ihren Händen ihre belastenden Unterlagen schwenkend und mit einer freien Hand auf die Gruppe der Verschwörer deutend.
„Die sind es! Ergreift sie, alle!“ Diese Worte waren an die Soldaten der Schwarze Garde gerichtet, die jetzt Welle um Welle den Berg hinauf stürmten, bereit, die verbotene Versammlung zu zerschlagen. Als Anne
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