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Nr. 799 (German Edition)

Nr. 799 (German Edition)

Titel: Nr. 799 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuna Stern
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noch meine Haare.
    Doch David schüttelte wieder den Kopf, als würde er mich sowieso davon abhalten. Er sagte nichts mehr.
    Einen Moment darauf stießen auch die anderen Neuankömmlinge zu uns. Destiny lächelte mich mild an, als hätte sie meinen gestrigen Spruch verziehen, und Mia kam und nahm meine Hand. Ich war gerührt und drückte ihre Hand fest, während ich Achilles begrüßte.
    An diesem Morgen wirkte er wesentlich entspannter. Seine Brille saß nicht mehr schief auf der Nase, er ging aufrecht und zuckte nicht mehr bei jedem Geräusch zusammen. Irgendwie freute ich mich für ihn und nickte ihm zu.
    Er lächelte ebenfalls, und erst dabei fiel mir auf, dass seine Augen irgendwie anders aussahen als am Tag zuvor. Ich konnte nicht genau erklären, wieso. Aber es stimmte. Sie waren wie bei – ich überlegte eine Weile, dann fiel es mir wieder ein – wie bei Fräulein Ingrid W. unbestimmbarer Farbe, glänzend, schimmernd, flackernd. Auch seine Haut wirkte makellos, wie die Haut von Nummer Dreihundertvierundfünfzig. Wie aus Marmor.
    »Ist alles in Ordnung, Achilles?«, fragte ich ihn.
    »Wie?« Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    Oh, shit. Ich hatte ihn mit meinem erfundenen Namen angesprochen.
    »Ich kenne meinen Namen endlich. Ich heiße – oder nein, hieß – Aegidius«, erklärte er mir mit ruhiger Stimme. »Aber mir wäre es lieber, wenn du mich mit meiner Nummer ansprechen würdest. Das ist doch wesentlich passender hier, findest du nicht? Also, nenne mich bitte von nun an nur noch: Nummer Siebenhundertsechsundneunzig.«
    »Okay ...«
    Nun sorgte ich mich wieder um ihn. Was hatten sie mit ihm angestellt? Wen hatte er aufgesucht? Doktor Aurelian P. oder Alfi, den Psychologen?
    Nachdem wir in der Kantine unser ungenießbares Frühstück zu uns genommen hatten (der Kaffee schmeckte nach Benzin und die Rühreier nach Watte), begaben wir uns auf den Weg zu unserem ersten Kurs.
    Wir irrten eine Weile durch die Gänge, orientierten uns an den Pfeilen, die uns zu Raum XY1 führen sollten, doch offenbar liefen wir im Kreis.
    Irgendwann schlug Mia vor: »Vielleicht müssen wir ja den Aufzug nehmen.«
    Sie zeigte auf eine glänzende Tür, die wie aus dem Nichts an der gegenüberliegenden Wand aufgetaucht war, als wir uns ihr genähert hatten.
    »Ich weiß ja nicht, wir sollten lieber jemanden fragen«, murmelte Aineyasjiajd – hm, nun hatte ich seinen griechischen Namen wieder vergessen. Also nannte ich ihn im Stillen einfach weiter Achilles.
    »Und wen? Hier ist niemand!«, entgegnete David schroff.
    »Ich finde, wir sollten es ausprobieren. Kann ja nichts passieren«, sagte ich. Außer, dass wir in den Keller gesperrt werden. Oder noch mal sterben. Kann man mehrmals sterben?
    Mit einem freudigen Leuchten in den Augen ließ Mia meine Hand los und hüpfte zum Fahrstuhlknopf. Sie drückte drauf und wartete gespannt, schaukelte dabei ihren linken Fuß in der Luft.
    »Gleich kommt er«, stellte Destiny mit glockenheller Stimme fest. Ich überlegte mir, ob sie im früheren Leben vielleicht Nachrichtensprecherin gewesen war. Sie sah tatsächlich so aus: die reine Haut, die hohen Wangenknochen, der klare Blick. Warum hätte sie sonst Delfine in Japan besuchen sollen? Doch nur, um über sie zu berichten. Es ergab Sinn.
    Plötzlich hörte ich etwas hinter uns und schreckte hoch. Irgendein Rauschen, als würden wir auf einer Straße stehen, auf der Autos an uns vorbeirasten.
    Und dann ...
    Ich sehe einen Jungen neben mir, der an einem Steuer sitzt. Er ist attraktiv, trägt eine Lederjacke und in seinem Mundwinkel thront eine unangezündete Zigarette. Seine Wangen sind rot angelaufen. Seine dunklen Haare kleben ihm an der Stirn. Er spricht mit mir, als ich aus dem Augenwinkel etwas herannahen sehe. Etwas Großes, Dunkles, Verschwommenes, mit blinkenden Lichtern, in der Nacht.
    Ich will ihn warnen, öffne den Mund, um zu sagen: Schau auf die Straße, Bastian. Schau hin.
    Aber es ist zu spät. Der Lastwagen. Mit einem Mal kommt der Aufprall, sein Lächeln verzerrt vor meinen Augen, ich sehe Splitter, spüre Blut, spüre Feuer in meinen Armen, ein Brennen, ein Keuchen, höre Schreie von allen Seiten, höre Bastians: Scheiße – NEIN! Ich fühle die Ohnmacht in meinen Adern, spüre den Aufprall einmal, zweimal, dreimal, atme nicht, oder atme ich doch, ich weiß es nicht, alles verschwimmt vor meinen Augen und ich weine und lache und weiß nicht, was mit mir passiert, spüre Hände, die mich aus dem Wagen zu ziehen

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