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Nr. 799 (German Edition)

Nr. 799 (German Edition)

Titel: Nr. 799 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuna Stern
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Ihr Blick wanderte zu der Seniorin, die im Kurs von Nummer Fünf von ihrem Pudel erzählt hatte. »Ich habe gehört, dass es bei Charl – ähm – Nummer Fünf heute Probleme gegeben hat?« Sie runzelte die Stirn. »Mag mir jemand erklären, was vorgefallen ist?«
    Die ältere Frau senkte beschämt den Kopf und hielt noch immer ihre Tasche fest umklammert. Sie tat mir allmählich leid. Doch ehe ich etwas sagen konnte, kam ihr David zur Hilfe. »Er ist ein Idiot. Dieser Ausbilder. Hanna hat er einfach Haare vom Kopf gerissen. Das ist doch nicht normal.«
    »Huch.« Kimberly sah mich mit ihren geweiteten Katzenaugen an. »Das ist wirklich ungewöhnlich. Ich frage mich, wozu er das tun sollte. Na ja ...« Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Wie ich euch allen bei eurer Begrüßung erklärt habe, es gibt hier einige etwas – wie sag ich das – nicht so freundliche Ausbilder und Überführer. Mit denen wir alle auskommen müssen.« Wieder schaute sie zu der Seniorin, diesmal gespielt strenger, auch wenn ihr das nicht ganz gelang. »Aber Rosalindchen, du musst dir deine Nummer einprägen. Nicht alle sind so lockerflockig wie Elli und ich. In Ordnung? Ich werde sie dir für den Anfang aufschreiben. Den Zettel nimmst du überallhin mit, ja?«
    Rosalinde, die Pudelfrau, nickte und wischte sich eine Träne weg.
    »Und, ich habe gehört, ihr hattet heute eure erste Überführung?«, rief Kimberly wesentlich freudiger. »Wie lief’s denn?«
    Einige, die neben mir standen, schauderten ganz offensichtlich bei der Erinnerung an die sterbende Frau. Mia saß auf dem Teppichboden und zupfte an den Fasern herum. Sie sah nur kurz zu mir auf, um mich lieb anzulächeln, dann wandte sie sich wieder ihrem Spiel zu. Ich war froh, dass sie scheinbar nicht ganz verstand, was dort im Wald passiert war.
    Destiny trat einen Schritt nach vorne und erhob mutig die Stimme: »Es war sehr aufregend«, begann sie mit ihrer professionellen Nachrichtenstimme. »Jedoch fühlte es sich auch sehr traurig an. Ich hätte nicht erwartet, dass es mich so mitnehmen würde.«
    »Hach, ja«, seufzte Kimberly und rieb sich über die Stirn. »Ja, der Anfang ist besonders schwer. Mit der Zeit werdet ihr euch daran gewöhnen. Und lernen ... ähm.« Sie schwieg und rang mit ihren Worten. »Ähm ... Irgendwann werdet ihr hoffentlich lernen, eure Emotionen abzuschalten. Das klingt noch sehr schwer für euch, aber es wird euch irgendwann leichter fallen. Glaubt mir.« Plötzlich begann sie wehmütig zu lächeln. »Ich erinnere mich noch gut an meine erste Überführung. Sie fand damals bei Fräulein Ingrid W. statt. Ich war danach so aufgewühlt, dass ich tagelang geweint habe. Bis, also bis ich mit Doktor Alfred B. gesprochen habe. Er ist unser Psychologe, wisst ihr. Wenn jemand von euch das Bedürfnis hat, mit ihm zu sprechen, sagt mir Bescheid. Ich werde für euch einen Termin mit ihm vereinbaren. Das ist schließlich meine Aufgabe.« Sie lächelte noch immer, als sie sagte: »Und jetzt schaut euch ein wenig hier um, ich bin mir sicher, dass dies euer liebster Ort in der Anstalt werden wird. Ich komme jeden Abend hierher. Und treffe mich mit Elli.«
    Unsere Gruppe löste sich auf. Einige liefen zur Tafel und trugen bereits ihre Nummern für die nächsten Stunden ein. Andere setzten sich an die Tische und redeten leise miteinander. Und wiederum andere sahen sich stumm die Bücher an.
    Kimberly kam mit schnellen Schritten auf mich zu und zog mich in eine einsame Ecke, jedoch nicht, ohne David noch einen bösen Blick zuzuwerfen. Sie schien ihm noch immer zu misstrauen. »Ist es wirklich passiert?«
    »Was?«, fragte ich verwirrt.
    »Na, hat dir Charl – ach – Nummer Fünf ein paar Haare ausgerissen?« Sie sah mich eindringlich an, viel ernster als vorhin, so als ginge es um Leben und Tod.
    Darum konnte es natürlich nicht gehen. Oder?
    Ich nickte. »Ja, und dann hat er die Zähne gefletscht und in meine Richtung gesagt, dass ich mir ja nichts einbilden soll. Ich sei nichts Besonderes oder so.«
    »Pfui. Ich hasse ihn.« Als sie die Worte ausgesprochen hatte, sah sie sich ängstlich in der Bibliothek um und senkte wieder die Stimme. »Er ist ein schrecklicher Typ. Manchmal lauert er mir in meinem Büro auf, nur um mir Angst zu machen. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Elli hat versucht ihn ganz aus unserer Abteilung werfen zu lassen, aber unser ... unser Boss beharrt darauf, dass er bleibt. Er kennt ihn von früher.« Sie zog ihre Augenbrauen hoch und

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