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Nuancen der Lust (German Edition)

Nuancen der Lust (German Edition)

Titel: Nuancen der Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilly Grünberg , Antje Ippensen , Emilia Jones , Sira Rabe , Jasmin Eden
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es sein«, sagte Yamin erbost.
    »Oh nein, bestimmt nicht, mehr ist nicht übrig, Yamin, ischwöre!«, ächzte die Frau.
    Der junge Inder wollte sein Blatt nicht überstrapazieren; er ahnte, es wurde langsam Zeit für den geordneten Rückzug.
    »Ich will dir ausnahmsweise glauben, verdammte alte Hexe.«
    Bis auf Witwe Scratcheds getreue Speichellecker, die wütend auf ihre Chance lauerten, schauten alle atemlos auf ihren Helden, den Knaben aus ihrer Mitte, der es wagte, der Tyrannin solcherart die Stirn zu bieten.
    Es stellte einen unerhörten Vorgang dar.
    »Timmy, bring mir Archibald aus meiner Kammer«, befahl Yamin nun. Er umklammerte den Nacken der Katze immer stärker, denn seine innere Anspannung stieg.
    Magnolia Scratched wimmerte und stöhnte: »Carola, Carola … tu ihr nicht so weh, bitte, Yamin … Wer ist Archibald?«
    Yamin gab keine Antwort; das musste er auch nicht, denn schnell wie der Blitz war Timmy aus dem oberen Stockwerk, wo Schlafkammern und Schlafsäle der Kinder lagen, zurückgekehrt, und er hielt in seiner Hand einen braunen Teddybär. Er war das einzige Andenken an seinen Vater, das Yamin geblieben war, und auch das einzige Besitzstück, das er noch hier in diesem Hause gehabt hatte. Behutsam brachte Timmy das Stofftier in Yamins Tuchbeutel unter, den sich der exquisit gekleidete Inderjunge über die Schulter gehängt hatte.
    Zum ersten Mal lächelte Yamin, was seine Züge, die zuweilen scharf wirkten wie die eines Erwachsenen, wieder weich und jung machte.
    Nun wird es aber höchste Eisenbahn, von hier zu verschwinden. Die Ratten rotten sich schon zusammen.
    »Ich lasse dein Katzenvieh an der Brücke frei«, verkündete Yamin; jetzt blitzten seine Augen wie schwarze Münzen. Der kurze Moment, der ihn ein Kind hatte sein lassen, war verstrichen. »Halte also dein Geschmeiß davon ab, mir zu nah auf die Pelle zu rücken, MRS. Scratched. Sie sollen respektvollen Abstand halten.«
    »Ja ja gut, Yamin«, winselte Magnolia, deren Vorname sich nur auf eine welke, zerfledderte Blüte beziehen konnte.
    Die Katze weiterhin als Sicherheit an sich gepresst haltend, trat Yamin den Rückzug an. Glücklicherweise hatte sich Carola, die ohnehin ein molliges, phlegmatisches Tier war, in ihr Schicksal ergeben und wehrte sich kaum noch.
    Erfreut stellte der Inderjunge fest, dass er nicht verfolgt wurde. Mittlerweile war das launische Märzwetter umgesprungen und bescherte der Stadt einen schütteren, gleichwohl rußigen Regen, welcher Yamins Pläne augenblicklich umwarf. Er musste Quartier innerhalb des Slums suchen.
    Carola hatte sich an ihren Entführer soweit gewöhnt, dass sie unter seiner kostbar bestickten Jacke Unterschlupf finden wollte vor dem Nass, das vom Himmel fiel – aber das verhinderte Yamin, indem er die Katze sanft auf dem Boden absetzte. Im Grunde mochte er Tiere – selbst Carola konnte ja nichts dafür, dass sie eine derart grauenvolle, gemeine Besitzerin hatte. Zu ihr war die Witwe immer gut gewesen. Die silberfarbene Katze sah mit ihren Augen, die grün waren wie die des kleinen Timmy, vorwurfsvoll zu ihm auf und schüttelte gleich voller Ekel die Pfoten aus.
    »Na, lauf schon, Carola, lauf nach Hause«, redete Yamin ihr gut zu, bevor er rasch machte, dass er fortkam. Sein Springmesser verschwand wieder in der Hosentasche, und er selbst war so schnell bei der Absteige, die Ol‘ Smittys House hieß, dass seine Kleidung keinerlei Schaden davontrug.
    Der halbblinde und fast taube Portier gab ihm gegen Vorauszahlung einiger Schillinge fast wortlos ein Zimmer.
    Aufatmend ließ sich Yamin auf dem quietschenden Bett nieder. Er hatte es zuvor sorgfältig untersucht. Zum Glück war es einigermaßen sauber und wies kein Ungeziefer auf; so kurz vor seinem Etappenziel, wie er es nannte, konnte er keinerlei Hindernisse mehr gebrauchen. Nichts durfte schiefgehen – er musste piekfein und wie aus dem Ei gepellt morgen früh beim Palast auftauchen. Bitte keine Flöhe, keine Bettwanzen. Und seine Gebete waren erhört worden.
    Für einen Augenblick starrte der Junge zur verriegelten Zimmertür und runzelte seine glatte braune Stirn. Er stand auf, stellte sicherheitshalber einen wackeligen Stuhl unter die Türklinke, und dann erst öffnete er seine Tuchtasche. Liebevoll breitete er die Scheine und Münzen auf der Decke aus. Das Vermächtnis seines Vaters. Flüchtig dachte er daran, dass er mit mehr gerechnet hatte, dafür aber nun einiges an Geld sparte, da er ja eigentlich jenseits der

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