Nuancen der Lust (German Edition)
hatte.
In dem eher kleinen, bescheiden eingerichteten Raum herrschte eine wohltuende Intimität, und der einzige »Aufpasser« war – niemand anderer als Yamin. Der Himmel mochte wissen, wie ihm dieser Coup gelungen war. Ansonsten gab es hier nur die Hohe Frau, Sylvia und Alicia. Die Herzogin von Cornwall hatte offenbar ein Faible für exotische Details oder Farbtupfer; als solchen betrachtete sie zweifellos den Inderjungen in seiner pfauengefiederbunten Phantasieuniform, samt himmelblauem Turban. Stolz stand der 12jährige an der Tür, von wo aus er unauffällig ständigen Blickkontakt mit Alicia halten konnte.
Sylvia kniete auf einem großen Samtkissen in einer Ecke und befand sich ebenfalls in Alicias Blickfeld.
Unter vier Augen, im Ankleidezimmer, war Alicia zuvor von den knorrigen, kraftvollen Händen der Vizekönigin betastet worden; es war durchaus nicht unangenehm gewesen und die junge Stroma hatte ihre Freude über die Berührungen offen gezeigt.
Flüchtig ging es ihr durch den Sinn, wie ungerecht das Leben für Frauen war. So gut wie niemals durften sie zeigen, an der körperlichen Liebe Vergnügen zu haben – außer im geächteten und trotzdem notwendigen gesellschaftlichen Raum der Prostitution. Kamen noch Sonderwünsche und spezielle Neigungen hinzu, wurde ein Bekenntnis gänzlich unmöglich für das weibliche Geschlecht: Es hätte schwerste Strafen nach sich gezogen, jede Menge Paragraphen existierten dafür oder vielmehr dagegen; im Grunde genommen führte ein uralter und verknöcherter Teil der Gesellschaft Krieg gegen die Lust. Eine Frau nun gar, die ein gewisses Alter überschritten hatte, hörte auf zu existieren als ein Wesen, das sich zwischenmenschlichen Sinnenfreuden hingab. So etwas DURFTE es einfach nicht geben, Frauen jenseits der 45 waren Großmütter, vielleicht noch Witwen und nichts sonst. So wie die Queen. Die Herzogin war, soweit Alicia wusste, kinderlos. Und sie war das, was allgemein – wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand – Tribadin oder Sapphistin genannt wurde, UND noch dazu eine, die sich daran ergötzte, ihrer jeweiligen Gespielin süßen Schmerz zuzufügen.
Weiterhin lächelnd blickte Alicia zu dem Beistelltisch zur Rechten der Herzogin, auf dem drei kostbar aussehende Instrumente lagen: eine rote Peitsche mit mindestens dreißig Riemen, ein mit schwarzem Leder überzogener Rohrstock und eine höchst ungewöhnliche Gerte; ihr lederumflochtener Schaft mündete in ein Doppelpaddle, das die Form einer Drachenzunge hatte.
Die Herzogin nahm sich Zeit. Soeben hatte sie eine leichte Mahlzeit verzehrt und lehnte sich nun, Entspannung suchend, in ihrem bequemen Sessel zurück.
»Möchtet Ihr, dass ich Euch massiere, Hoheit?«, fragte Alicia sanft. »Ich bin darin sehr geschickt.«
Ihre neue Herrin lachte; es war ein warmherziges Lachen voller Kraft und Vorfreude.
»Ja, gern, meine Kleine – zeige mir, was du kannst!«
Alicia blinzelte beruhigend zu Sylvia hinüber,
keine Sorge, auch dies hat nichts zu bedeuten
, hieß dieses Blinzeln, und dann umfasste sie die festen Schultern der Herzogin. Massieren war eine ihrer großen Leidenschaften. Ihre Finger kneteten, kreisten, klopften und strichen; als sie sich dabei leicht vorbeugte, sah sie im Schoß der Vizekönigin das Geschenk der Maharani liegen, schön eingebettet in die reichen Falten des Rockes.
An der Übergabezeremonie haben die beiden nur ihre engsten Vertrauten teilnehmen lassen
, überlegte Alicia.
Sylvia und die beiden Sikhs
.
Ihr Abschied von Lord Malachyd war kühl und geschäftsmäßig gewesen; nichts in seinen Augen, seiner Mimik oder Abschiedsworten hatte darauf hingedeutet, dass er etwas für sie empfand. Dachte Alicia daran zurück, so fühlte sie einen kleinen, harten Stich, aber zum Glück nichts weiter.
Sie konzentrierte sich ganz auf ihre Aufgabe. Nachdem sie die Erlaubnis erhalten hatte, das steife Oberkleid der Herzogin ein wenig zu lockern und zu öffnen, rieb sie sich die Hände mit bereit stehendem Lavendelöl ein und arbeitete nun noch gleichmäßiger und intensiver. Die weiche und faltige, zum Teil auch ein wenig trockene Haut im Dekolleté der Vizekönigin nahm diesen Dienst freudig an, und die ältere Frau seufzte vor Wohlbehagen. Erstmals schloss sie einen Moment die Augen.
Rasch blickte Alicia wieder zu Yamin, der im Übrigen um die Leibesmitte herum jetzt ein wenig dicker aussah, aber noch gab sie ihm kein Zeichen.
Es war noch zu früh, die richtige Zeitabstimmung höchst wichtig,
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