Nubila 01: Das Erwachen
unanständiges an sich, das Jason ganz und gar nicht gefiel.
Theodor war ein attraktiver Mann, obwohl, oder vielleicht eben weil er bereits aussah wie vierzig. Sein äußeres Alter war darauf zurückzuführen, dass er, im Gegensatz zu Laney, einmal nicht das Glück gehabt hatte dass ihn jemand zurückhielt, bevor er einen unschuldigen Menschen töten konnte. Interessanterweise zeigte Theodor jedoch keine Reue. Er behauptete sogar, dass er sich darüber freute die nächsten dreißig Jahre nicht schlafen zu müssen und er war davon überzeugt auch als alter Mann noch fit zu sein. Das Alter bekäme ihm gut, behauptete er immer.
Theodor war Violettes leiblicher Vater, stand Jason jedoch nicht sonderlich nahe. Violette hatte eine relativ enge Beziehung zu Theodor, weil sie als Kind eine Weile bei ihm hatte leben müssen, als Doreen sich schlafen gelegt hatte, und weil Theodor darauf bestand, regelmäßigen Kontakt zu seinem einzigen Kind zu haben.
Jason jedoch froh nicht von Theodor abzustammen, weil es ihn davor bewahrte mehr viel Zeit, als unbedingt nötig, mit diesem Mann verbringen zu müssen. Theodor war so ziemlich das komplette Gegenteil von Viktor, was vermutlich der Grund dafür war, dass Doreen sich in ihn verliebt hatte. Viktor war mittelgroß, mit hellbraunem Haar und einem fein geschnittenen Gesicht, während Theodor sehr groß war und sein Gesicht eher harte Züge aufwies. Er hatte dieselbe Haarfarbe wie Violette, trug die Haare aber erheblich kürzer als sie. Jason hatte es immer schon fasziniert, wie sehr Violette Theodor ähnelte. Nicht nur äußerlich, sondern vor allem auch in ihrem Charakter.
„ Was willst du für die Kleine haben?“, fragte Theodor und riss Jason damit aus seinen Gedanken.
„ Was?“, fragte Jason und schüttelte verwirrt den Kopf.
Er hatte Theodor gebeten zu kommen, um sich Kathleen einmal anzusehen, weil dieser einfach viel mehr Erfahrung mit Neulingen hatte. Er leitete die größten Fabriken im Land, ganz in der Nähe von dem Wald, in dem Jason mit seiner Familie wohnte.
Der ältere Mann trat einen Schritt zurück und zündete sich eine Zigarette an. Er lehnte sich lässig gegen die Wand und sah Jason erwartungsvoll an.
„ Viktor und Doreen wollen, dass ich mich um sie kümmere“, erinnerte Jason ihn. „Ich darf sie dir gar nicht geben. Ich habe sie gebissen, also bin ich auch für sie verantwortlich.“
Jason hatte es für besser gehalten Theodor nicht die Wahrheit zu sagen, denn genauso wie alle anderen außerhalb der Familie, hatte auch er keine Ahnung von Laneys Existenz. Ein Kind der Herrenrasse zu verheimlichen war an und für sich schon schwierig, da Schwangerschaften selten waren und stets groß gefeiert wurden. In Laneys Fall war es jedoch noch schwieriger gewesen, da sie als Karas Tochter die Enkelin von einer der Ältesten war. Eine Tatsache, die Laney einer ständigen Bedrohung aussetzte und Jason zu der Entscheidung veranlasst hatte, Laney bei seiner Rückkehr in das Haus seiner Eltern zu verleugnen.
Bedächtig stieß Theodor den Rauch seiner Zigarette wieder aus und warf Jason einen abschätzenden Blick zu.
„ Ach ja. Die gute alte Doreen. Sie tritt doch bald wieder ihre Schlafphase an, oder?“, fragte Theodor, ohne eine Antwort zu erwarten. „Das heißt, dann kann sie dir nicht dazwischenfunken. Also was hält dich dann davon ab die Kleine dann mir zu geben? Als du mir am Telefon erzählt hast, dass du eine Frau verwandelt hast, hätte ich niemals erwartet, dass es sich dabei um eine solche Schönheit handeln würde. Ich hätte sicherlich schnell Abnehmer für sie und du könntest ja ohnehin nicht viel mit ihr anfangen.“
„ Wieso das denn nicht?“, fragte Jason verwirrt. „Ein paar Hände mehr im Haus kann man doch immer gebrauchen.“
Theodor lachte. Es war ein freudloses, spöttisches Lachen, das Jason einen Schauer über den Rücken jagte.
„ Sag mal, hast du damals in der Schule eigentlich gar nichts gelernt?“, fragte Theodor und schüttelte grinsend den Kopf. „Sie ist weit über die Grenze hinaus, bis zu der man einen Neuling gefügig machen kann. Mit viel Arbeit könnte man sie vielleicht noch einigermaßen integrieren, aber sie wird niemals so gehorsam werden, wie die anderen Diener. Sieh dir doch allein Antonio an. Er ist schon seit Jahren bei euch und hat sich immer noch nicht wirklich damit abgefunden, dass er tun soll, was ihr ihm befehlt. Du hast ja keine Ahnung, wie schwierig es ist einen Heiler zu bekommen. Fast jeder,
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