Nubila 01: Das Erwachen
ihr gegeben. Und jetzt musste sie sich dort hinein fügen.
„ Ich verstehe wirklich nicht, warum Jason dich überhaupt behalten wollte“, sinnierte Violette weiter. „Mir war von Anfang an klar, dass du Probleme machen würdest, weil du keine Erziehung genossen hast. Aber auf mich muss mein werter Bruder ja nicht hören, nicht wahr?“
Als Kathleen nichts erwiderte, fuhr sie fort.
„ Wenn ich du wäre, dann würde ich versuchen mich umzubringen, Kathleen. Du taugst nicht zur Dienerin, aber du bist auch keine von uns. Du wirst uns immer nur Probleme bereiten. Es ist zwar gar nicht so einfach für einen deiner Art sich das Leben zu nehmen, aber wenn du genauso viel Energie in die Bemühungen dich umzubringen steckst, wie du bisher darauf verwendet hast, mich zur Weißglut zu treiben, dann wirst du es schon schaffen. Immerhin bist du ansonsten sowieso zu nichts nutze und…“
„ Das genügt, Violette“, mischte Jason sich ein und brachte Violette abrupt zum schweigen. Kathleens Kopf schnellte nach oben, senkte sich jedoch sofort wieder, nachdem sie festgestellt hatte dass es sich wirklich um Jason handelte. Er trug Laney auf dem Arm, die sich äußerst wohl bei ihm zu fühlen schien. Ein Gefühl der Wehmut durchfuhr Kathleen, aber sie war wild entschlossen sich nichts anmerken zu lassen. Jason hatte ihr überdeutlich gezeigt, was passieren würde, wenn sie sich noch einmal daneben benahm und sie hatte nicht vor ihm eine Gelegenheit zu geben, um seine Drohung wahr zu machen.
„ Was findest du nur an dieser Dienerin?“, fragte Violette ungläubig. „Sie ist dreckig und aufmüpfig, und…“
„ Und sie ist nicht deine Angelegenheit“, ergänzte Jason.
Violette kniff wütend die Augen zusammen und ergriff dann die Flucht. Mit Jason diskutieren zu wollen war absolut unsinnig.
Als Violette außer Sichtweite war, stellte Jason Laney auf den Boden, die sofort zu Kathleen rannte und ihr die Arme entgegenstreckte. Kathleen zögerte einen Moment. Sie hatte zu arbeiten und war sich unsicher, ob sie Ärger bekommen würde, wenn sie jetzt dem Drängen des Mädchens nachgab. Doch als Jason nickte, nahm sie Laney hoch und drückte sie an sich. Tränen traten ihr in die Augen, aber sie blinzelte sie wieder weg. Sie würde keine Schwäche zeigen.
„ Nicht traurig sein, Kathy“, sagte Laney mit ihrer sanften Stimme. „Du…“, sagte Kathleen ungläubig und sah zu Jason hinüber, der diesen Satz doch ganz eindeutig gehört haben musste. Jason lächelte jedoch nur und nickte, wie zur Bestätigung, dass sie richtig verstanden hatte.
„ Wir wollten Spazieren gehen, Kathleen“, sagte Jason schließlich und trat einen Schritt vor. „Und wir wollten dich bitten uns zu begleiten.“
Kathleen sah sich unsicher nach Violette um, die wieder zu den Feldern gegangen war, um die Arbeiter zu beaufsichtigen.
„ Oh. Lass Violette nur meine Sorge sein“, sagte Jason beruhigend. „Ich werde ihr das schon erklären.“
Kathleen nickte und setzte Laney wieder auf den Boden. Ohne sich noch einmal nach den Feldarbeitern umzusehen, folgte sie Jason und seiner Tochter und hoffte innerlich, dass Violette etwas bessere Laune haben würde, sobald sie wieder zurückkamen.
Sie liefen eine ganze Weile schweigend einen Waldweg entlang und genossen die frische Luft. Der Halbmond stand hoch oben am Himmel und spendete ungewöhnlich viel Licht. In der Nähe von einem Fluss setzte Jason sich schließlich auf einen Baumstamm und bedeutete Kathleen sich neben ihn zu setzen. Laney lief währenddessen zum Fluss hinunter und versuchte dort Frösche zu finden.
„ Also gut, Kathleen“, begann Jason, nachdem Kathleen sich gesetzt hatte. „Du hast es geschafft. Ich gebe auf. Was muss ich tun, damit du wieder redest?“
Kathleen blickte überrascht auf, senkte den Blick aber sofort wieder. Sie war verwirrt und unsicher, ob Jason seine Andeutung ernst meinte.
„ Aber ich rede doch, wenn man mich fragt, Herr“, sagte sie vorsichtig.
„ Ja“, bestätigte Jason. „Aber ich möchte, dass du wieder von dir aus redest. Ich dachte, ich müsste dir deinen Eigensinn austreiben, aber so hatte ich mir das nicht gedacht.“
Er zögerte, als müsste er sich gut überlegen, ob er seine Gedanken wirklich mit Kathleen teilen sollte. Dann fällte er jedoch eine Entscheidung und sprach weiter.
„ Weißt du… Eigentlich wollte ich nie wirklich, dass du genauso wirst, wie alle anderen Diener. Wäre Violette nicht gewesen, dann hätte ich dich nie im
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