Nubila 05: Die letzte Schlacht
aufzurichten. Als der Schmerz in ihrem Bein wieder aufflammte, biss sie die Zähne zusammen und stöhnte auf. Besorgt tastete sie ihr Bein ab, konnte aber keinen Bruch erkennen.
„Auf deinem Bein lag ein großer Stein“, erklärte Gadha ungerührt. „Vermutlich ist dein gesamtes Schienbein blau, und du wirst wahrscheinlich ein paar Tage nicht richtig laufen können.“
„In Ordnung“, sagte Laney und schluckte ihren Stolz herunter. „Hilfst du mir auf?“
Gadha verdrehte die Augen und streckte Laney dann bereitwillig die Hände entgegen, um ihr zu helfen. Als Laney endlich stand, hatte sie erst Bedenken, ob ihre Beine sie überhaupt tragen würden. Das Rechte hielt kaum Belastung aus, aber das Linke war in Ordnung.
Mit Gadhas Hilfe humpelte sie ein paar Meter weiter durch die Höhle, bis sie Alexander erreichte. Er sah tatsächlich nicht gut aus. Seine ohnehin schon bleiche Gesichtsfarbe hatte sich ins Bläuliche verändert, und auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Er zitterte am ganzen Körper und schien nicht zu atmen. Nicht, dass das notwendig gewesen wäre, aber da Laney an menschliche Patienten gewöhnt war, fiel es ihr sofort auf.
Sie ließ sich neben Alexander nieder und begann sofort, ihn zu untersuchen. Seine Pupillen waren nach hinten verdreht und seine Haut noch kälter als gewöhnlich. Laney stieß einen leisen Fluch aus. Sie wusste nicht genug über die Behandlung von Kaltblütern. Antonio hatte ihr zwar einiges beigebracht, aber so einen schweren Fall hatte er nie dagehabt. Vermutlich hätte er ebenso improvisieren müssen wie sie jetzt.
„Gib mir ein Messer“, befahl Laney barsch. „Ein scharfes, spitzes Messer. Wir holen diese Pfeilspitze jetzt aus ihm raus.“
Gadha gehorchte und drückte Laney eines in die Hand. Gedankenverloren wischte sie es an ihrer Kleidung ab und beugte sich dann über Alexanders Brust.
„Muss man es nicht desinfizieren oder so?“, fragte Gadha verunsichert. „Ich dachte, du bist Ärztin.“
Doch Laney ließ sich nicht beirren und setzte zum Schnitt an.
„Kaltblüter können keine Blutinfektion bekommen“, erklärte sie dabei. „Euer Blut ist resistent gegen jede Art von Krankheit. Dazu zählen auch Entzündungen. Außerdem stirbt er so oder so, wenn wir nicht schnell handeln.“
Sie setzte einen tiefen Schnitt und war wieder einmal verwundert, wie wenig Kaltblüter bluteten. Doch da die Blutzirkulation schon vor langer Zeit ausgesetzt hatte, war das wohl nicht weiter verwunderlich. Der Schnitt war tief genug. Jetzt war nur die Frage, wie sie ohne die passenden Instrumente die Spitze herausholen sollte. Es half wohl alles nichts – sie würde es mit den Fingern tun müssen. Laney holte tief Luft und sah dann zu Gadha.
„Kannst du ihn bitte festhalten?“, fragte sie. „Wenn noch ein Funken Leben in ihm ist, dann wird das hier ihm sicher Schmerzen zufügen. Aber es muss sein. Die Kugel muss da raus, und danach muss ich unbedingt meinen Vater kontaktieren.“
Die Müdigkeit war wie ein Fluch. Egal, wie sehr man auch dagegen ankämpfte, sie forderte ihr Recht mit immer stärkerer Intensität. Und das, obwohl Jason überhaupt keine Zeit zum Schlafen hatte. Es gab so viel zu tun, so viel zu erledigen. Die Tore waren vor ein paar Stunden verschlossen worden und man hatte die Gänge gesprengt. Für mindestens zwei Tage würden sie daher nicht imstande sein, an die Erdoberfläche zu gelangen. Das bedeutete allerdings auch, dass er bis dahin nicht nach Laney und Alexander suchen lassen konnte. Da es oben jedoch nur so vor Menschen wimmelte, war das wohl ohnehin ein aussichtsloses Unterfangen.
Jason rieb sich die Augen. Er musste sich konzentrieren. Was war als nächstes zu tun? Mit Greg und Leonie hatte er bereits gesprochen. Wie zu erwarten, hatte der junge Mann die Nachricht von Cynthias Tod alles andere als gut aufgenommen, aber Leonie schien ihm bei seiner Trauer eine große Stütze zu sein. Sie hatte ihn zu Cynthias Körper begleitet und versprochen, bei ihm zu bleiben, so lange es nötig war. Jason war darüber mehr als erleichtert. Er liebte Greg, aber im Moment hatte er einfach keine Zeit, sich adäquat um ihn zu kümmern.
Stattdessen hatte er die letzten zehn Stunden damit verbracht, die Kaltblüter und Warmblüter auf die verschiedenen Bereiche des Notlagers zu verteilen. Die Kaltblüter waren kein Problem. Sie konnten ohne Schwierigkeiten stundenlang an einer Stelle stehen oder sitzen, ohne sich zu beschweren. Die Warmblüter hingegen
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