Nuerburghoelle
schon sein?« Bahn lachte bitter, vielleicht sogar hysterisch auf. »Meinen Sie etwa, ich rufe Sie an, weil mein Mittagessen angebrannt ist? Mein unbekannter Freund hat mir wieder einen Liebesbeweis ins Haus geschickt.« Er konnte oder wollte sich nicht beruhigen.
»Was hat er denn diesmal geschrieben?« Langsam wuchs auch in Böhnke die Anspannung.
»Er hat überhaupt nichts geschrieben.« Wieder lachte Bahn gequält auf. »Er hat mir gleich ein ganzes Paket geschickt. Und wissen Sie, was da drin ist? Eine tote Katze. Richtig appetitlich. Ist wohl klar, dass ich bei jemandem auf der Abschussliste stehe.«
Böhnke machte sich keine Mühe, Bahn zu beruhigen.
Das war ohnehin sinnlos, dachte er, und außerdem hatte der Mann ja noch eine Frau.
»Absender?«, fragte er.
»So schlau war ich auch schon. Absender des Päckchens ist ein Mann, der am Freitag in einer Todesanzeige im Dürener Tageblatt genannt worden ist. Das habe ich schon rausgekriegt. Dafür brauche ich keine professionellen Schnüffler von der Nideggener Straße.« Bahn schnaufte durch. »Sie haben mir ja Zeit genug gelassen, meine eigene Recherche anzufangen.«
Böhnke überhörte die unbegründete Kritik an seiner Abwesenheit. »Haben Sie denn überhaupt die Dürener Polizei eingeschaltet? Was sagt die?«
»Die Bullenpenner!«, fauchte Bahn. »Mein spezieller Freund Wenzel höchstpersönlich sagt mir doch glatt ins Gesicht, mit einem solchen Dummen-Jungen-Streich müsste ich immer rechnen bei meinem ständigen Einmischen in die Angelegenheiten anderer Leute. Die glauben mir nicht, Herr Böhnke.« Erneut legte Bahn eine Atempause ein. »Aber ich hoffe, dass Sie mir glauben. Oder irre ich mich?«
Es fiel ihm schwer, sagte sich Böhnke, aber diese Ansicht würde er Bahn gegenüber niemals äußern. »Ein Dummer-Jungen-Streich scheint mir das nicht zu sein. Erst der Brief, jetzt die Katze. Da hat Sie anscheinend jemand auf der Abschussliste. Da will Ihnen jemand ganz gewaltig an den Kragen.«
»Helfen Sie mir, diesen Arsch zu finden?«
Wie konnte er? Böhnke sah keinen Erfolg versprechenden Ansatz, wenn schon seine Kollegen in Düren nicht interessiert waren. »Ich helfe Ihnen gerne, weiß aber nicht, wie. Offiziell kann ich nicht ermitteln, das wissen Sie genauso gut wie ich.« Er ärgerte sich über sich selbst, weil er Bahn Hoffnungen machte, die er nicht erfüllen konnte. »Ich kann Ihnen im Prinzip nur raten, vorsichtig zu sein und nach möglichen Verdächtigen Ausschau zu halten. Mehr geht im Moment nicht. Mir sind die Hände gebunden«, meinte er entschuldigend, um nicht sagen zu müssen, dass er gar nichts tun könne.
»Ich muss also warten, bis der Kerl mich umgebracht hat, dann finde ich ihn vielleicht. Schöne Aussichten!« Bahn war zynisch geworden und damit fast wieder der Alte. Böhnke hatte noch keinen erfahrenen, vom Berufsleben geprägten oder verschlissenen Journalisten getroffen, der kein Zyniker war.
Offensichtlich hatte er Bahn verprellt. Der Journalist ließ in den nächsten Tagen nichts mehr von sich hören und Böhnke hoffte, dass die Sache im Sande verlief. Vielleicht hatte er ihn auch beruhigen können. Er widmete sich wieder seinem Hobby und gewöhnte sich langsam an den Gedanken, die Anleitung doch in den Mülleimer zu werfen, wie auch den Videorekorder, der längst schon zum antiquarischen Inventar oder zum Elektroschrott gehörte. Er nahm sich lieber eine Fingerübung vor, wie er die leichten Verdreher der deutschen Sprache bezeichnete, die er gelegentlich auf Papieren oder Schildern fand. Einer war noch von seinem kurzzeitigen Aufenthalt auf Fuerteventura übrig geblieben. Im Bad seines Hotelzimmers hatte er eine Anregung zum Gebrauch der Handtücher gefunden: »Aufgegängte Handtücher bedeutet wir benützen Sie nochmals.« Diese kleinen sprachlichen Fehlleistungen waren hübsch und nett und machten das Hotel sympathisch, befand Böhnke. Immerhin bemühte es sich, seinen deutschen Gästen Hilfestellungen zu geben.
Seine eigene Hilfestellung für Bahn war wohl weniger anregend gewesen, geschweige denn richtig.
»Jetzt wird es mir aber endgültig zu bunt!«, brüllte Bahn, als er überraschend am Nachmittag im Türrahmen stand.
Böhnke hatte gerade sein mittägliches Nickerchen gemacht und wollte sich auf seinen Spaziergang durch Huppenbroich begeben, als Bahn auftauchte.
Der Journalist schäumte beinahe vor Wut und Ärger. Oder vor Angst? Seine Gemütslage war ebenso wirr und verstört wie sein Blick und
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