Nuerburghoelle
Diskussion über einen möglichen Rennabbruch wurde ebenfalls nirgendwo in den Medien thematisiert. Nur eine Tageszeitung, die in der Region rund um die Eifelrennstrecke verbreitet wurde, hatte in einem zweiten Artikel einen Nachruf auf Theberath veröffentlicht.
Das Ergebnis, das Böhnke für sich aus den Berichten zog, war ernüchternd. Ein Unfalltoter, na und? An jedem Tag stirbt irgendwo in Deutschland ein Mensch auf den Straßen, und wenn der Unfall unverschuldet war, so kann man nur von Pech sprechen. Würde deswegen irgendein Autofahrer auf sein Auto verzichten?
Der Zeitungsbericht über Theberath war mit Informationen vollgestopft, die in anderen Artikeln nur bestätigt, aber nicht ergänzt wurden.
Berthold Theberath war zum Zeitpunkt des Unfalltods 40 Jahre alt, seit etwas mehr als einem Jahr mit der 30jährigen Elisabeth verheiratet und kinderlos. Gemeinsam mit seinem Bruder Anton, 36 Jahre alt, hatte er eine Kfz-Werkstatt mit Gebrauchtwagenhandel in Aachen-Vaalserquartier betrieben. Die beiden Brüder hatten die Firma vom Vater übernommen, der wiederum das Geschäft seines Vaters fortgesetzt hatte, damals noch mit dem Verkauf von Neuwagen der niederländischen Marke DAF. Die Theberaths waren nach dem Bericht eine Rennfahrerfamilie der dritten Generation. Der Tod von Berthold Theberath war nicht der erste Unfalltod in der Familiengeschichte. Ein Onkel hatte dieses Schicksal ebenfalls bei einem Autorennen in der grünen Hölle in der Eifel ereilt.
Auch gab es ein Foto von Theberath. Es zeigte ihn in Zivil, von einer Frau, offenbar Elisabeth, eng umschlungen. Die beiden lachten ebenso in die Kamera wie die zwei Männer an den Seiten. Der eine war unverkennbar, nach dem Gesicht zu urteilen, der jüngere Bruder von Berthold, Anton Theberath, der andere war vermutlich Wolfgang Schulz. Wie Böhnke dem Zeitungsartikel entnommen hatte, betrieben die Brüder ihr auf Tuning spezialisiertes Unternehmen mit einem sehr geringen Personalaufwand. Neben den beiden Kfz-Meistern arbeitete auch Elisabeth in dem Familiengeschäft, Sie war für die Buchhaltung zuständig, während die beiden Brüder bei ihrer Arbeit von einem Mechaniker unterstützt wurden, dem ebenfalls 36-jährigen Wolfgang Schulz.
Eine Bestätigung seiner Annahme fand Böhnke indes nicht beim Bildtext. Der Schreiberling hatte darin nur Berthold Theberath namentlich erwähnt.
Rasch erkannte Böhnke, dass es überflüssig und unergiebig war, sich weiter mit Theberath zu beschäftigen. Er hatte alle Informationen, die er für den Moment brauchte, gefunden. Nichts deutete darauf hin, Theberath könnte tatsächlich das Anschlagsopfer gewesen sein – wenn es denn überhaupt einen Anschlag gegeben haben sollte.
Verwunderung, vielleicht sogar Respekt machte sich in ihm breit, als sich Böhnke auf die Spuren von Bahn im Internet machte. Der Journalist schien nicht nur gut im Geschäft zu sein, sondern auch bei den Kollegen anerkannt. So hatte er wegen seiner Serie über die Gnadenlosen einen viel beachteten Journalistenpreis erhalten. Wegen seines uneigennützigen Engagements bei einer Säuglingsentführung war er vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Verdienstmedaille des Landes ausgezeichnet worden.
Das sieht man dem Kerl gar nicht an und traut es ihm auch nicht zu, staunte Böhnke anerkennend. Ihm fiel der Spruch ein: ›Viel Feind, viel Ehr‹ oder umgekehrt: ›Viel Ehr, viel Feind‹. Sollte es doch jemanden, dem Bahn bei seinen zum Teil spektakulären Geschichten zu kräftig auf die Füße getreten hatte, geben, der eine offene Rechnung begleichen und den Journalisten töten wollte?
Wie Böhnke wusste, hatte Bahn oft in Düren mit dem ehemaligen Kriminalkommissar Küpper zusammengearbeitet. Vielleicht war es ja an der Zeit, den Kontakt zum Dezernenten im Landeskriminalamt aufzunehmen, dachte sich Böhnke. Eigentlich war ihm ja der alte Kumpel noch einiges schuldig.
Bahn hatte augenscheinlich keine Bedenken, seine Privatadresse im Internet jedermann zugänglich zu machen. Seine Telefonnummer und seine Adresse in Düren-Rölsdorf waren problemlos zu finden. Warum auch nicht? Die Adresse stand wahrscheinlich auch im örtlichen Telefonbuch. Was sollte da eine Geheimniskrämerei im Internet? Wer Bahn ans Fell wollte, würde ihn auch ohne Internet ausfindig machen.
Bahn war seit drei Jahren mit seiner Sandkastenliebe Gisela verheiratet. Das Hochzeitsfoto der beiden war damals im Dürener Tageblatt erschienen und auch unter den
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