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Nuhr, Dieter

Nuhr, Dieter

Titel: Nuhr, Dieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuhr auf Sendung
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noch auf
Fußballprofi umzuschulen. Kann man das denn Freiheit nennen, wenn man mit 50
nicht mal mehr eine Stelle als Mittelstürmer bekommt? Zählt denn Erfahrung gar
nichts mehr?
    Aber den Meisten wäre der Beruf Fußballprofi ohnehin viel
zu unsicher, wir halten es ja heute mehr so mit der Sicherheit, was ich
wiederum irgendwie komisch finde. Man hat ja nur ein Leben, und wenn man da
immer nur an die Sicherheit denkt, ist man irgendwann tot und denkt: »Mensch,
ich war ja noch gar nicht draußen - aus Sicherheitsgründen.« In der Freiheit
ist es oft nicht richtig asphaltiert, da liegt ein Stein, schon fällt man hin.
Freiheit kann so gefährlich sein! Zack, liegt man auf der Schnauze, und in der
Marktwirtschaft ist Zahnersatz teuer.
    Deswegen bringt man bei uns Freiheit hauptsächlich mit
schlechten Zähnen in Verbindung. Am Ende hat man nicht einmal mehr Geld für den
Urlaub übrig. Und das ist ja keine Freiheit, wenn man nicht mal zwei Wochen im
Jahr raus kann, um sich dem Traum von Pferden, Prärie und Abenteuer hinzugeben.
Dann muss man sich entscheiden. Und Freiheit ist zwar schön. Aber Zahnersatz
sieht einfach besser aus.
     
    Beleidigt 22. Januar
2008
    Ich bin gerade ein bisschen beleidigt. Es gibt dafür
keinen besonderen Grund, ich habe nur festgestellt, dass in diesem Land alle
beleidigt sind, und da will man ja nicht außen vor sein. Der Anlass: Letzte
Woche hatte ich in einem Nebensatz festgestellt, dass Zahnersatz teuer sei.
Sofort hagelte es beleidigte Briefe, man fragte mich, ob ich glaubte, dass
Zahntechniker ohne Bezahlung arbeiten sollten, und ich sollte die Arbeit
anderer Menschen anerkennen, und überhaupt: Ich sei eine blöde Sau.
    Dabei hatte ich gar nicht gesagt, dass Zahnersatz zu teuer
sei. Ich habe nur festgestellt, dass neue Zähne viel Geld kosten und dass es
Leute geben könnte, die deshalb für eine neue Zahnleiste möglicherweise auf den
Urlaub verzichten müssen, was ich im Übrigen, im globalen Vergleich gesehen,
für keine ungewöhnliche Zumutung halte. Was sicher wieder manch einen beleidigt
macht.
    Schlimmer wäre es, wenn sich die Leute neue Zähne kaufen
würden und sich danach nichts mehr zu beißen leisten könnten. Denn auch
Lebensmittel sind ja nicht immer billig. Mein Gott, was rede ich da? Habe ich
etwas über Lebensmittelpreise gesagt? Das war nicht böse gemeint! Bestimmt
stehen gleich die Erzeuger bei mir vor der Tür, die Bauern, mit ihren Traktoren
und frisch gedruckten Protestransparenten! Was ich mir einbilde? Ob ich glauben
würde, dass die Lebensmittel auf den Bäumen wachsen? Was im Übrigen teilweise
der Fall ist, aber egal! Immer nur Kokosnuss ist auch nichts.
    Und das soll keine Beleidigung unserer Obsthändler sein!
Die werden jetzt wahrscheinlich auch schon langsam sauer! »Herr Nuhr, was haben
Sie gegen Kokosnüsse! Sind Sie vielleicht ein Feind ausländischer Früchte?«
Plötzlich steht der Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit im Raum, während die
heimischen Bauern zunehmend zornig werden: »Herr Nuhr! Sie reden offenbar gern
über exotische Früchte. Ist Ihnen der heimische Obstgarten nicht mehr gut
genug? Gehen Sie doch nach Afrika, da werden Sie schon sehen.«
    Man seufzt: »Mein Gott...« Und schon stehen die Vertreter
der Kirchen auf dem Plan. Was man sich einbilde, das sei nicht »mein« Gott,
sondern der Gott aller Menschen, also der Katholiken, Protestanten,
Griechisch-Orthodoxen, Juden, Muslime ... Und ich füge, um dem Vorwurf der
Ungleichbehandlung zuvorzukommen, dazu: »Ja, weiß ich. Und mit Muslimen meine
ich sowohl Schiiten als auch Sunniten und Alawiten, damit sich da keiner
vertut.« Am Ende laufen 10000 Wahabiten durch die Stadt und lassen Sprechchöre
ertönen: »Warum wurden wir nicht genannt, sind wir denn minderwertig, wir
erstatten Strafanzeige wegen Volksverhetzung!« Und die Kopten, Methodisten,
Mormonen, Altkatholiken und Baptisten sind gleich mit dabei. Und die
Sozialisten sowieso, die sind immer beleidigt.
    Überall Beleidigte. Wobei diese Feststellung wiederum keinesfalls
eine Beleidigung sein soll. Ich will damit auf keinen Fall etwas gegen
Beleidigte sagen. Und deshalb sage ich hier: »Ja.
    seid alle beleidigt! Jeder soll beleidigt sein! Das ist
ein Menschenrecht!« Wahrscheinlich handele ich mir damit jetzt eine Klage der
Toleranten und Nachsichtigen ein, die da rufen: »Wir waren ein Leben lang
nachsichtig und tolerant. Und jetzt sollen wir plötzlich beleidigt sein? Da
wehren wir uns! Das lassen wir nicht auf uns

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