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Nuhr, Dieter

Nuhr, Dieter

Titel: Nuhr, Dieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuhr auf Sendung
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Nachbarländer
zu überfallen, das ist doch prima.
    Und wir haben Freiheit. Das ist doch super. Hier kann man
sich den Ohrring in die Nase tackern oder einen Nasenring ins Ohr. Nur anderen
darf man nichts irgendwohin tackern, wenn die das nicht wollen. Und das ist ja
gut so. Was du nicht willst, das man dir tut, das tacker auch dem Nachbarn
nicht ins Ohr. Oder in die Nase. Oder am Hintern vorbei. Das ist schön. Super.
     
    Bildungslücken 23. Oktober 2007
    Es ist deprimierend: Das Wissen der Welt ist heute so
groß, dass das, was man nicht weiß, bei weitem das übersteigt, was man weiß.
Und dabei ist noch gar mit eingerechnet, wovon man keine Vorstellung hat,
beispielsweise spanische Geschichte des 11 .
Jahrhunderts. Da bin ich kein Fachmann. Der Mensch ist eben eine einzige
Bildungslücke.
    Wenn es nach mir ginge, hätte in Spanien nach dem 10. gleich das 12. Jahrhundert
kommen können. Das hätte uns die Expansion Kastiliens unter Alfons VI. erspart.
Allerdings wäre dann auch das Kalifat von Córdoba nicht zerfallen, und Spanien
wäre womöglich heute Marokko. Dann wäre Marokko vielleicht Ägypten. Und Ägypten
würde leer stehen. Das wäre nun auch wieder schade, so ein großes Land, so
schöne Pyramiden - und niemand da.
    Chemie ist bei mir - bildungstechnisch betrachtet - übrigens
auch ganz schlecht. Wenn mir einer erklären würde, man könne aus Kupferoxyd
Wackelpeter machen, würde ich es glauben. Kupfer wird ja auch grün, wenn es
anläuft. Warum soll im Wackelpeter kein Kupfer drin sein? Im Spinat ist ja
angeblich auch Eisen - was ich befremdlich finde. Ich kaufe mein Gemüse doch
nicht auf dem Schrottplatz. Wobei das mit dem Eisen im Spinat sowieso ein
Gerücht sein soll. In der Kinderschokolade sind ja auch keine Kinder.
Vielleicht ist ja das Eisen, das früher im Spinat war, heutzutage in der
Schokolade? Man weiß es nicht!
    Man kann es nicht wissen. Wie soll man das alles in den
Schädel kriegen? Franz Schubert war Komponist. Andreas Schubert hingegen baute
die erste deutsche Lokomotive. Gotthilf Heinrich Schubert war Naturforscher.
Und Günter Schubert war bei mir in der Parallelklasse - ein Vollidiot. Das
muss man auch nicht wissen. Die Siegwurz gehört übrigens zur Gattung der
Schwertliliengewächse. Das nur nebenbei.
    Die slowenische Literaturgeschichte beginnt erst in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Fragen Sie mich nicht nach Einzelheiten.
Ich wette, darüber wüsste selbst Franz Beckenbauer nichts zu sagen. Wenn man
ihn allerdings fragen würde: »Herr Beckenbauer, was sagen Sie zur slowenischen
Literatur des 16. Jahrhunderts?«, würde der Franz wahrscheinlich einen
halbstündigen Vortrag halten, ohne auch nur einen Funken Ahnung zu haben: »Ja,
sicherlich ... ein interessantes Thema, der Balkan, das kennen wir ...« Und das
ist ja der Vorteil einer profunden Bildung, dass man gar nichts wissen muss,
um eine Vorstellung zu haben.
    Ich glaube beispielsweise, dass die slowenische Romantik
Ausdruck einer tiefen Sehnsucht ist. Aber wonach? Wahrscheinlich nicht nach
Bildung, auch nicht nach Wackelpeter. Vielleicht nach Eisen, in Slowenien
sollen ganz viele Leute Eisenmangel haben. Oder nach Kupfer? Gibt es in
Slowenien das Schwertliliengewächs namens Siegwurz? Oder in Ägypten? Manchmal
meine ich, ich weiß überhaupt nichts. Was sind überhaupt Schwertliliengewächse?
Ich mache den Salat immer mit Tomaten aus Spanien. Man kann eben nicht alles
wissen.
     
    Freiheit 28.
Oktober 2007
    Als großer Anhänger bürgerliche Freiheiten bin ich dafür,
dass man sich in die Fußgängerzone stellen kann, um Flugblätter zu verteilen,
in denen man ein Wahlrecht für Pinguine fordert - oder ein Verbot des
aufrechten Ganges. So etwas muss erlaubt sein. Freiheit schließt ja auch mit
ein, dass man das Recht hat, sich wie ein Idiot aufzuführen. Jawohl!
    Freiheit ist nicht selbstverständlich. Wenn man bei uns
etwa schwul ist, dann ist man eben schwul. In Pakistan hingegen ist man dann so
gut wie tot, da kommt beim Sex keine rechte Freude auf. Das sind so die kleinen
Freiheiten, die hier in den letzten 100 Jahren erkämpft wurden.
    Das ist doch wunderbar. Aber es ist schwer, das
Bürgerliche zu loben. Wer bei uns sagt, dass er gerne bürgerlich ist, wird
verdächtigt, heimlich Volksmusik zu hören. Das ist schade, denn bürgerlich zu
sein war früher revolutionär. Viele schöne Begriffe sind zu Unrecht in Verruf
geraten. Nehmen wir das Wort »Heimat«. Wir haben den überall auf der Welt

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