Null Bock auf Mr Cock (German Edition)
man bereit ist, sein Leben, zumindest für einen Moment, zu entschleunigen, sich Zeit zu nehmen, sich auf den Adressaten einzustellen und sich Gedanken zu machen. Und dass man eine Mail nicht nur schreibt, um irgendetwas zu erreichen oder eine Leistung zu erhalten, sondern weil man das Du, den Ansprechpartner, sucht.
So unterschiedlich die Persönlichkeit und die Lage des Schreibenden ist, so verschieden sind auch die Sprache und die Form, welche der Brief annehmen kann. Briefe sind somit Ausdruck unserer Kultur und unseres mitmenschlichen Reichtums.
Bei Glücksschiff und Edelagentur dagegen nur derbe Sprüche, Unhöflichkeiten und Rechtschreibefehler, soweit das Auge reicht. Nicht mal Deinen Namen können sie richtig schreiben, die Typen, das ist schon zuviel der Mühe.
Die Männer aber empfinden ihren Umgangston geradezu als offen und locker, einen Ton, der mehr als rüde und ungehobelt ist. Vieles ist beliebig, nüchtern, kalt.
Es herrscht keine gepflegte Briefkultur, sondern eine wüste Subkultur. Welche sich durch das Fehlen jeglicher E-Mail-Etikette auszeichnet. Bei solch einem Benehmen werden Kontakte freilich nicht vertieft, sondern ein baldiger Abbruch besiegelt.
Und man selbst beantwortet Briefe oftmals auch nicht mehr, weil man das Gefühl hat, dass einen das alles nichts angeht, nicht betrifft, und man als Leserin in keiner Weise in die Monologe des Schreibenden mit einbezogen oder involviert wird.
Die Schreibe der Mitglieder ist auch nicht etwa aufregend, interessant oder flirty-flirty , man ist eher die ganze Zeit in Hab-Acht-Stellung: Wann kommt das nächste fiese Bild, der nächste freche Spruch, die nächste derbe Anmache?
Im Heckenschutz des www ist es ganz einfach, sich wie die Axt im Wald zu benehmen - Anonymität schützt an dieser Stelle und verleitet zu Gemeinheiten und Unverschämtheiten übelster Art.
Am PC findet oftmals eine regelrechte Verwandlung der männlichen Spezies statt, so mancher Dr. Jekyll mutiert still und heimlich zum Mr. Hyde . Denn die Herren wähnen sich nicht nur in vermeintlicher Anonymität, sondern auch in einem vermeintlich rechtsfreien Raum, in dem ihnen keiner ans Leder flicken kann.
Zudem vertrauen sie auf die Schnelllebigkeit ihrer Äußerungen und fühlen sich daher keinerlei Konventionen verpflichtet und an keine Moral gebunden.
So ist in den Mails der Männer verbale Gewalt allgegenwärtig, manchmal subtil, manchmal aber auch ganz offen entwürdigend. Der Mann in den Partnerbörsen kennt keine Achtsamkeit vor seinem Gegenüber, die Frau wird nicht mehr in ihrer Würde wahr- und ernst genommen.
Wenn das Deutschlands Elite sein soll - dann gnade uns Gott, dann wird es rabenschwarz über Deutschland.
Viele Kontakte werden geknüpft - und diese genauso schnell wieder aufgegeben. Der nächste Kandidat liegt ja schon auf Lauer. Ein Kommen und Gehen.
Ein ständiges An- und Abmelden von Mitgliedern, ein Löschen von unliebsamen Kandidaten, gleichzeitiges Warten auf neue Kandidaten, es geht geradewegs zu wie im Taubenschlag.
Lästige Kandidaten können - und das ist der große Vorteil – aussortiert und gecancelt werden, wie man lustig ist. Mit einem Klick ist alles weg.
Diese Möglichkeit müsste man manchmal auch im wahren Leben haben: Ist Dir eine Person unleidlich oder kommt Dir einer recht blöd daher, wird sofort die Löschtaste aktiviert – und der Ärger ist ein für allemal vorbei.
Das einzig Schlimme daran ist: nach Löschen und Aussortieren der Glücksschiff- oder Edelagenturmänner bleibt kaum noch ein Mann übrig, der die Aufmerksamkeit einer Frau auf sich ziehen könnte.
Unwillkürlich wird man an die Geschichte von den zehn kleinen Negerlein erinnert, von denen einer nach dem anderen auf Nimmerwiedersehen verschwindet.
Und nicht nur das: Das scheinbar unermessliche Angebot an potenziellen Partnern lässt längere Beziehungen oftmals gar nicht entstehen. Denn sobald das kleinste Problem auftaucht, sagen die meisten Männer schon: Ich schaue mich mal nach der Nächsten um.
Und ja, vielleicht ist es auch das: Man lernt eine Frau kennen, aber nur einen Klick weiter ist vielleicht eine Bessere. Und so hält man nicht mehr fest. Und man legt sich nicht mehr fest.
Und ehe es kompliziert wird, wird die Frau ausgetauscht, gewechselt wie das Hemd oder das Handtuch.
Und so stöbern viele Männer, noch während sie in einer Beziehung leben, im Internet bereits heimlich nach der besseren, nach der perfekten Frau. Denn diese Männer
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