Null & Nichtig (Daniel & Juliet - eine Liebesgeschichte (Teil 2)) (German Edition)
in diesem dämlichen Spa festsaß und nicht wegkonnte. Ich konnte vielleicht damit leben, dass er in ferner Vergangenheit mir unbekannte Frauen in seiner Hotelsuite beglückt hatte, aber der Gedanke an Ying in seinem Bett brachte mich fast um den Verstand.
Mr. Burton fuhr mich wie verabredet ins Fotostudio und als ich meine Freunde dort wiedersah, fiel ein Teil des Ärgers von mir ab. Katie hatte wie versprochen eine Flasche Sekt mitgebracht, die wir noch vor Beginn der Fotoshootings öffneten.
Ich verbrachte eine halbe Ewigkeit in der Maske, dann noch mehr Zeit in der Anprobe. Das waren wir aus dem Theater gewohnt, aber hier dauerte es noch länger, denn alles musste perfekt aussehen, schließlich konnten wir kleine Materialfehler nicht einfach durch unsere Bewegungen überdecken. Und da die Fotos auch für die großen Werbeflächen verwendet werden sollten, musste selbst das Make-up perfekt sein, sonst sah man am Ende jede Hautunreinheit auf den stark vergrößerten Aufnahmen. Der Fotograf versicherte uns zwar, dass man mit den Touch-up‘s noch jede Menge nacharbeiten konnte, aber je besser die Originalaufnahmen waren, umso besser würde natürlich auch das Ergebnis werden.
Zum Glück hatten der Fotograf und sein Team viel Erfahrung und verstanden es meisterhaft, die Stimmung aufzuheitern und uns zu den besten Posen zu animieren. Als erstes wurden die Gruppenaufnahmen geschossen, damit die Nebendarsteller nach Hause konnten. Die Einzel- und Paaraufnahmen fanden in kleinerer Runde statt, ohne dass dabei viele Zuschauer herumstanden.
Wir Hauptdarsteller waren in erster und zweiter Besetzung völlig unterschiedliche Charaktere – die goldblonde Katie mit dem eleganten Konstantin, dessen fein geschnittenes Gesicht ausdrucksstark und immer ein wenig spöttisch wirkte. Die beiden waren ein perfektes Paar und hätten auf den Klatschseiten eines jeden Hochglanzmagazins gut ausgesehen.
Erik und ich waren ein ganz anderes Paar, er war dunkel und groß gewachsen, kräftig und wirkte immer etwas tollpatschig. Mir kam die Rolle einer dunkelhaarigen Amazone zu, die ihren riesenhaften Begleiter zu bändigen versuchte.
Diese Rollenverteilung war zwar lächerlich, trotzdem ließen sich mit dieser Vorstellung im Kopf glaubwürdige Posen schießen. Gleichzeitig war es unheimlich anstrengend, in unseren vertrauten Tanzposituren minutenlang still auszuharren.
Einige der nachgestellten Szenen waren recht zweideutig und ohne den Sekt hätte ich vermutlich meine Schwierigkeiten damit gehabt. So aber machte ich mir keine Gedanken darüber, wie diese Bilder später aussehen würden. Dabei spielte sicher auch mein Schock über meine neuen Einsichten eine Rolle, sonst hätte ich vielleicht darüber nachgedacht, wie Daniel wohl auf solche Bilder reagieren würde, falls sie je veröffentlicht würden.
Als letztes standen die Einzelaufnahmen auf dem Programm. Es war schon spät und wir hatten nur eine knappe halbe Stunde, bis wir das Studio räumen mussten.
Der Fotograf schickte die beiden Männer nach draußen, denn für eine Veröffentlichung kamen sowieso nur die Aufnahmen von Katie und mir in Frage. Abwechselnd stellten wir uns in identischen Haltungen auf, nach einigen Aufnahmen im Stehen, wechselten wir unsere Kleidung ein letztes Mal, trugen nun unser Bühnenoutfit für die Abschlussszene – Hotpants und ein Tanktop, dass tiefe Einblicke gewährte.
Im Musical war die letzte Szene der Selbstmord Zubeidas, nachdem sie ihren gewalttätigen Ehemann in Notwehr umgebracht hatte. Zubeida war völlig aufgelöst, kniete auf ihrem Bett und rammte sich zuletzt ein Messer in die Brust.
Für das Fotoshooting sollten wir diese Szene nachstellen, das letzte verzweifelte Aufbäumen Zubeidas, nachdem sie bereits tödlich verletzt war.
»Stellt euch die Schmerzen vor, den Schock und die Trauer über den Tod eures Ehemanns. Der einzige Mann, den ihr je geliebt habt, ist für immer fort!«, forderte der Fotograf uns auf.
Ich betrachtete Katie fasziniert, während sie sich auf dem Bett hin- und herwarf. Ohne Theaterblut sah die Szene eher nach einer Erotikdarstellung als nach einem Todeskampf aus. Der Fotograf versicherte uns, dass das Blut später per Touch-up aufgetragen wurde, damit wir jetzt keine wertvolle Zeit damit vergeuden mussten, uns zu reinigen.
»Ich habe noch ein paar Minuten Zeit. Willst du noch die privaten Aufnahmen machen?«, fragte der Fotograf Katie.
Ich blickte sie fragend an, doch sie zuckte nur mit den Schultern.
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