Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)
dabei ganz sicherzugehen, dass Sie auch wirklich alles erben. Denn wer weiß, zu welchen Testamentsänderungen sich der alte Mann noch verstiegen hätte, wenn Sie wieder einmal in Ungnade gefallen wären. Das war Ihrem Vater ja auch schon passiert. Also doch lieber auf Nummer sicher gehen. Mit Mr Chandan hatten Sie einen Mann fürs Grobe an der Hand und mussten sich nicht selbst die Finger schmutzig machen.« James schüttelte den Kopf. »Aber ich verrate Ihnen jetzt etwas, Richard: Es war trotzdem ein großer Fehler. Willst du, dass niemand von einer Sache erfährt, dann vertraue dich niemandem an. Wenn ein Geheimnis geheim bleiben soll, verrate es keinem. Denn Mr Chandan wird Sie belasten, darauf können Sie Gift nehmen. Selbst die eingeschworensten Liebespaare belasten einander bei Verhören der Polizei, um ihre eigene Haut zu retten, das erlebt man immer wieder. Was glauben Sie also, wie schnell das bei Mr Chandan geht, der nichts weiter als ein gewissenloserbezahlter Killer ist und mit dem Sie nichts Persönliches verbindet?«
Auf einen Wink des Ersten Offiziers, der zusehends nervös wurde, stellte sich einer der Sicherheitsmänner neben Richard Watts. Der schaute von James zu Ivy und von Ivy zu Sheila. »Was? Sind Sie jetzt total übergeschnappt, James? Meinen eigenen Großvater ermorden? Für was denn? Ich erbe doch sowieso!«
»Hier, die Vorlage für ein neues Testament«, fuhr James fort und wedelte mit dem Blatt in seiner Hand. »Um eine Woche vordatiert, wie clever. Das sollte Jeremy abschreiben, nicht wahr? Spät in der Nacht, wenn Sie sicher gewesen wären, dass alle im Bett liegen, hätten Sie, Mr Chandan, Mr Watts an den Tisch gesetzt. Schön säuberlich hätten sie ihn das hier abschreiben lassen, schließlich muss ein Testament handschriftlich verfasst werden, das war Ihnen klar. Sie hätten ihm Zeit gelassen, ihm vielleicht ein wenig Alkohol zu trinken gegeben, um ihn zu beruhigen, denn es wäre nicht gut gewesen, wenn seine Schrift zu zittrig gewesen wäre, nicht wahr? Wenn er fertig gewesen wäre, hätten Sie das Dokument in den Safe von Mr Watts gelegt, zu den anderen wichtigen Unterlagen. Die Kombination aus ihm herauszupressen wäre nur noch eine Kleinigkeit gewesen. Und Sie, Mr Chandan, Sie hätten nur seine Uhrensammlung bekommen, so steht es hier.«
Der Erste Offizier sah Mr Chandan fassungslos an. »Morde für eine Uhrensammlung?«
»Dreckiger Mistkerl«, stieß Richard hervor.
»Jeremys Uhren sind ein Vermögen wert«, sagte Sheila. »Er besaß damals, als er mit meiner Mutter verheiratet war, bereits eine stattliche Sammlung der exklusivsten Uhren,die es gibt, der Wert jeder einzelnen liegt im fünfstelligen Bereich.«
»Ein kluger Schachzug«, sagte James. »Es musste schließlich plausibel bleiben. Das ist es durchaus, wenn der alte Herr dem lieb gewonnenen Diener seine Uhrensammlung vererbt. Der clevere Mr Chandan hat sich mit einer scheinbaren Kleinigkeit abgefunden, und Richard als einziger direkter Nachkomme bleibt der lachende Haupterbe.« Er wandte sich Mr Chandan zu. »War es nicht so, Mr Chandan? Hat Mr Richard Watts Sie beauftragt, seinen Großvater zu foltern und zu töten? Damit er sich nicht selbst die Hände schmutzig machen muss und früher an sein Erbe kommt, während Sie sich mit dem Verkauf der Uhrensammlung ein schönes Leben machen können? Waren Sie es, der die beiden unbeteiligten Passagiere über Bord geworfen hat, um den Verdacht von sich abzulenken?«
Mr Chandan blickte zum ersten Mal auf, doch er sah nicht James an, sondern an ihm vorbei zu Ivy, die das Geschehen mit großen Augen verfolgte. Er lächelte plötzlich. Es war ein breites asiatisches Lächeln, Ausweg in scheinbar ausweglosen Situationen. »Ja«, sagte er dann schlicht.
Dann passierten mehrere Dinge gleichzeitig: Richard stürzte sich auf Mr Chandan, packte ihn mit beiden Händen um den Hals und würgte ihn. Die beiden Sicherheitsleute, die Mr Chandan festhielten, zogen ihn nach hinten, um Richards Angriff auszuweichen. Während der Sicherheitsmann, der die Tür bewacht hatte, Richard in den Polizeigriff nahm, griff Ivy sich den Brieföffner vom Schreibtisch und ging damit ebenfalls auf den Chinesen los. James wartete, um ganz sicher zu sein, so lange, bis der Brieföffner sein Ziel fast erreicht hatte, dann schoss er. Als hätte jemand»Stopp!« gerufen, erstarrten nach dem Knall alle in ihrer Bewegung. Ivy blickte verwundert auf ihre Hand, in der sie immer noch den Brieföffner hielt, dann
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