Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)
Stimme laut und deutlich in meiner Kabine hören könne, behauptete meine Mutter, ich hätte mich getäuscht.Eden und sie hätten den Lärm auch gehört, er sei von einer Kabine ein Deck unter uns gekommen.«
»Das war doch klar, was haben Sie erwartet?«
Sie sah zur Decke. »Sie wären mir viel sympathischer, James, wenn nicht jeder zweite Satz bei Ihnen mit ›Hab ich doch gleich gesagt‹ beginnen würde.«
Er lächelte. »Wenn das so ist, werde ich mir die größte Mühe geben.«
»Seien Sie nicht so arrogant!«
»Wo genau liegt jetzt das Problem, bitte?«
»Wenn Sie sagen, Sie wollen sich die größte Mühe geben, heißt das doch im Klartext, dass es schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist. Damit schieben Sie mir den Schwarzen Peter zu.«
»Über was haben Sie sich eigentlich mit Ihrem Mann immer so gestritten?«, fragte James, während er mit der Kleiderbürste über sein Jackett fegte. »Ging es da auch um Satzanfänge oder Satzenden, oder war es irgendetwas in der Satzmitte, über das Sie sich aufgeregt haben?«
»Ich wüsste nicht, was Sie das anginge. Außerdem haben mein Mann und ich uns nicht gestritten. Wir haben harmoniert.«
»Aha.«
»Warum sagen Sie das so? Glauben Sie das nicht?«
Er hielt ihr die Tür auf und lächelte versöhnlich. »Kommen Sie, lassen Sie uns endlich frühstücken.«
Phyllis und Eden saßen in der Tat einträchtig am Frühstückstisch, als sei nichts gewesen. Eden zeigte sich äußerst zuvorkommend. Die fast schon aufdringliche Art, mit der er seiner Ehefrau, kaum dass sie zum Messer griff, die Butterreichte, die Eilfertigkeit, mit der er ihr Tee einschenkte, sobald sie den vorletzten Schluck getrunken hatte, und der Eifer, mit dem er zum Buffet eilte, um die eine oder andere Kleinigkeit für sie zu besorgen: Alles deutete darauf hin, dass er bemüht war, Phyllis an diesem Morgen milde zu stimmen. James beobachtete die beiden und fragte sich, wie dieses ungleiche Paar zueinandergefunden haben mochte. Seiner Beobachtung nach wiesen Partner in der Regel ein ähnliches Attraktivitätsniveau auf, wobei die Gründe für die gegenseitige Anziehung durchaus unterschiedlich sein konnten. In diesem speziellen Fall, überlegte er, schieden Schönheit und Jugend auf beiden Seiten aus. Aber Phyllis war zweifellos reich, und nach allem, was er von Sheila erfahren hatte, war Eden ein gebildeter Mann. Möglich, dass ihn ihr Geld angezogen hatte und sie seine Bildung attraktiv fand. Der einzige Haken an der Sache war, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass Phyllis sich wirklich für einen Bücherwurm interessierte. Sie schien viel zu kommunikativ und auch geltungsbedürftig, um es sich abends in trauter Zweisamkeit vor dem Kamin gemütlich zu machen und Eden beim Lesen zuzuschauen. Auf Edens Seite mochte die Rechnung stimmen. Phyllis’ Geld wäre für viele Männer mit Sicherheit ein unschlagbares Argument, sie zu heiraten. Noch dazu in Kombination mit ihrem hohen Alter, das die abschließende Gewinnausschüttung in fast schon greifbare Nähe rückte. James hatte die Geschichte vom Mann, der sich den Knöchel verstaucht hatte, gleich für eine Ausrede gehalten. Ein kurzer Smalltalk mit dem Schiffsarzt nach seinem Morgenkaffee in der Observation Lounge hatte das bestätigt. Es hatte tags zuvor nur Blutdruckprobleme und eine Magen-Darm-Infektion gegeben,keinen verstauchten Knöchel. Nein, Eden hatte sich absichtlich aus dem Staub gemacht, um tagsüber in Ruhe lesen und anschließend einen vergnüglichen Abend allein in Nizza verbringen zu können. Das ahnte sicherlich auch Phyllis, sie war schließlich nicht dumm. Und nun zahlte er die Rechnung dafür.
Wie James erwartet hatte, besserte sich Sheilas Stimmung mit jedem Bissen, den sie aß, und vermutlich auch, weil sich ihre Mutter und Eden wieder zu vertragen schienen. Dass diese Harmonie nur erkauft war – mit einer gehörigen Portion Unterwürfigkeit auf Edens Seite –, störte sie offensichtlich nicht im Mindesten. Vielmehr teilte sie in weiblichem Schulterschluss die Freude einer Frau, deren Mann sich für sie ein wenig zum Affen macht.
»Jeremy, hier ist noch Platz für dich!« Phyllis winkte Jeremy zu, der in Begleitung von Mr Chandan auf sie zukam. Mit diesem groß karierten Jackett nicht lächerlich zu wirken, dachte James anerkennend, das muss man erst einmal schaffen. Natürlich war es auch der kleine Pseudoinder im weißen Gewand, der dazu beitrug, dass Jeremys Auftritt Erinnerungen an längst vergangene
Weitere Kostenlose Bücher